Montag, 31. Dezember 2007

Guets Nois

Gleich vorweg wünsche ich allen einen guten Start ins neue Jahr. Grosses Dankeschön auch an Tante Hedi und meine Eltern für die Unterstützung, Götti und Guido &Rosemarie für das E-Mail und der Felben-Fraktion für den netten Kommentar! Ausserdem nochmals alles Gute meiner Mum und meinem Dad, die ab heute zusammen (schon) dem 51. Geburtstag entgegen blicken dürfen.
So, eigentlich sollte man ja meinen, dass ich vieles zu erzählen habe von den Festtagen, aber zurückblickend ist eigentlich alles was Weihnachten und Silvester anbelangt zwar ungewohnt, aber ruhig verloffen. Die letzten Tage waren mehr vom im Ferien-Feeling in der Stadt rumwuseln geprägt als irgendwas anderes. Gesehen und gewerkelt haben wir dafür jede Menge und davon bedenke ich nun auch zu berichten:

Die Vorweihnachtstage
Da ein Freund vom Maru sie in Tokyo besuchen kam, rannten wir vorwiegend von einem Stadtende zum anderen (ganz im Sinne des Tourismus-Effekts), legten dementsprechend viele Kilometer (zu Fuss!) zurück und knipsten mal wieder unnötig viele Fotos (ich strebe ja immer meinem Idol, dem Durchschnittsjapaner am Matterhorn, nach). Konkret waren es etwa ein Besuch im Disney-Store in Shibuya (Sichtung eines brandneuen Mustangs, wenn auch weiss), zufälliges Erspähen eines Hochzeitumzuges am Meiji-Schrein (wichtigster Schrein in Tokyo, dem Meiji-Kaiser gewidmet), hemmungsloses Karaoke-Singen in Tachikawa, (Schaufenster) Shopping, Aufeinandertreffen auf eine Gruppe 40-jähriger Elvisse samt Haartollen, Pink Cadillacs und aus Boxen dröhnenden Elvis-Klassikern (die sich jeden Sonntag in Harajuku treffen um ihrem Vorbild zu huldigen) und ein erneutes Erklimmen des tokyoter Rathauses in Shinjuku (wo wir gerade rechtzeitig kurz vorm Sonnenuntergang ankamen und daher einen wunderschönen Ausblick geniessen durften). Ausserdem gabs an einem Abend mal noch ein weiteres Meisterwerk, das unserer kleinen Kochnische (in diesem Fall bzw. Hobbyofen) entsprungen ist, nämlich leckeren, ganz europäischen Makaroni-Auflauf.




Weihanchtstag
Ohne Schnee, dafür aber mit massig vergnügungssüchtigen Päärchen auf den Strassen (in Japan ist Weihnachten eine ziemlich kommerzielle Angelegenheit mit Traget Audience Verliebte), kann wohl keine europäische Seele wirklich in Weihnachtsstimmung kommen. Daher sind wir uns auch an diesem Tag einen weiteren Teil der Stadt ansehen gegangen. Morgens begaben wir uns nach Asakusa, Prémiere für unser Grüppchen, schauten uns den Schrein dort an und kauften einige Souvenirs an der putzigen Ladenstrasse dort. An einem See, bei dem du kitschtige Pedalos in Schwanenform mieten konntest (und viele Japaner das auch tatsächlich taten), dann keine kleine Verschnaufspause. Nach einer zu eskalieren scheinenden Auseinandersetzung mit den dort ansässigen Enten aber, entschieden wir uns dann doch dazu, besser weiterzugehen und schlenderten etwas durch das nahegelegene Viertel Ameyoko, in dem eine etwas harschere bzw. rockigere Stimmung herrschte und ich persönlich als sehr spanndenden Ort erlebt habe.
Nachmittags gings dann nach Akihabara, dem Elektro-Viertel. Wie immer dort haben wir viel Seltsames gesichtet, so zum Beispiel eine Traube 40jähriger Männer um zwei in Maid-Kostümen gekleidete Mädchen, die für die wild aufblizenden Kameras posierten oder etwa eine sicher 200 Meter lange Schlange von anscheinend wartenden Menschen in 4er Kolonen, an deren Anfang wir aber gar nichts Spektakuläres entdecken konnten, auf das es sich anzustehen gelohnt hätte (aber anstehen ist sowieso ein weit verbreitetes Hobby unter den Japanern; sobald er eine Menschenschlange sieht, bewegt ihn anscheinend ein unerklärlicher innerer Trieb dazu, sich ebenfalls dazu zu stellen).
Abends haben wir dann alle zusammen schön gekocht (Kartoffelsalat, Fisch mit Spinat und überbackenem Käse, Bratkartoffeln und zum Schluss Fruchtsalat auf Eis) und danach gegenseitig Geschenke ausgetauscht. Neben vieles coolen Goodies meines Lieblingsidols Akanishi Jin habe ich ausserdem noch eine Jacke bekommen, die ich schon seit ich in Japan angekommen bin gesucht, aber nie passend gefunden habe, deren Aufschrift da lautet "Air Guitar Club - Star-Feeling ohne überhaupt einen Akkord zu kennen". Hier nochmals ein riesiges Dankeschön an Maru und Fips!! Was Maru anbelangt, so waren wir an diesem Abend aber leider etwas in der Zwickmühle, denn das Buch, das ihr ihr Freund geschenkt hat, war ironischerweise genau das selbe Buch, das Fips und ich ihr zum Geschenk gekauft hatten...







Zwischen Weihnacht und Neujahr
Auch diese Zeit war mehr oder weniger hauptsächlich von kleinen Ausflügen, dafür aber viel Fussmarsch, geprägt. Zum Beispiel machten wir uns auf nach Roppongi, dem etwas exklusiveren Ausgangsviertel in Tokyo, wo Gucci, Christian Doir und Armani Tür an Tür wohnen. Seis wegen den Wolkenkratzern, seis wegen der himmelhohen Preise in den Läden (600 SFr. für einen MANSCHETTENKNOPF), jedenfalls kann's unsereinem gar nicht anderes ergehen als schwindelig zu werden in dieser Gegend. Also machten wir uns, natürlich wieder zu Fuss, auf zum nicht nahe, aber in der Nähe gelegenen Tokyo Tower (ebenfalls Prémiere für unser Grüppchen), den wir zwar nicht bestiegen, sondern im Gegenzug uns an einem Stand ein Crèpes gegönnt haben (Japaner stehen alle extremst auf Crèpes, das sie auch in jeglicher Hinsicht zur japansichen Perfektion getrieben haben). Nachdem wir wieder zurück am Bahnhof noch etwas vor den Roppongi Hills rumwuselten und die neusten Modetrends krititsch betrachten konnten, gings dann heimwärts.



Weiter haben sich Fips und ich auch einmal dazu aufgemacht, die Gegend um unsere Uni etwas weiter auszukundschaften. Ziel war das Grab eines Anführeres der Shinsengumi während der Meiji-Restauration, das angeblich in der Nähe sein sollte. Leider marschierten wir etwas spät am Abend erst los, und als wir das Grab hinter einem Tempel dann endlich gefunden hatten, war's schon zu dunkel um irgendwas erkennen zu können. Dafür haben wir aber sonst ganz interessante Entdeckungen gemacht, wie z.Bsp. einen Ami-Händler (ja, es gibt Japaber mit Stil), einen Fluss und einen riesigen Park mit faszinierendem Spielplatz, auf dem wir dann, der Dunkelheit zum Trotz, noch etwas rumgetollt sind und die ansässigen Spät-Jogger damit erschreckt haben.


Einen Tag sind wir dann auch noch mit der Monorail über die Rainbow Bridge nach Odaiba, einer aufgeschütteten Insel in der Tokyo Bucht, gefahren. Erst beim Anblick des Meeres wird einem erst wieder bewusst, dass Japan ja eigentlich eine Insel ist. Bei doch ziemlich heftigem Wind haben wir uns diesmal ans, nicht ins, Wasser getraut (das verglichen mit Kamakura ziemlich erbärmlich erschien), sind die grosse, silberne Aussichts-Kugel des Fuji TV Gebäudes hochgefahren, haben einen Rundgang durch die Fernsehstudios gemacht, eine kleine Unterhaltung mit Ronald McDonald geführt, einen Abstecher nach Klein-Amerika gemacht (so hatte es dank der dortigen Mini-Freiheitsstatue jedenfalls den Anschein), abends einem kleinen Liveauftritt von Asian Engineer gelauscht und sind dann schlussendlich noch auf die Comiket, eine riesige Comic-Börse, die an diesem Tag gerade stattfand, mit zig verkleideten Comichelden oder beharrten Männern in Mädchenschuluniformen. Die Leute und Kostüme waren wirklich sehr interessant, teilweise aber auch fragwürdig; aber wer bin ich dann, um die tiefen Abgründe der japansichen Fetische ergründen zu wollen. Manche Dinge sollten vielleicht besser unentdeckt bleiben^.~







Silvester
Wie jeder anständige Tokyoter, der über Neujahr nicht gerade zu seiner Familie aufs Land raus gefahren ist, hatten auch wir vor, um Mitternacht am Meiji-Schrein uns in die Massen zu stürtzen und für ein gutes neues Jahr zu beten. Nach einem vorigen Abstecher nach Tachikawa, wo ich mich endlich mit einer warmen Daunenjacke eingedeckt hatte, gings also auf richtung Harajuku. Auf dem weg dorthin fühlten wir uns schon fast ein bisschen verloren, waren da doch so wenig Leute unterwegs in den Zügen und die Umgebung der Bahnhöfe nicht grell leuchtend und blitzend wie sonst, sondern dunkel und verlassen. In Harajuku aber angekommen, änderte sich das doch ziemlich; überall standen Polizei und Rettungskräfte umher, die schon die Vorbereitungen für den drohenden Ansturm tausender Pilgerer zum Schrein trafen und durch Megaphone alle daruf Aufmerksam machten, sich an die Regeln zu halten und Rücksicht zu nehmen - Tokyo im Kriesenstadium. Die aufbrauhende Bedrohung lag förmlich in der Luft. Glücklicherweise haben wir uns aber schon vor 23.00 Uhr richtung Schrein aufgemacht, weshalb die ... Warteschlange, ist das falsche Wort, es war eher ein Wartefluss, noch nicht so gross war und wir einigermassen weit vorne anfangen konnten, ja was wohl?, anzustehen. Zusammen mit tausend anderen Japanern, die sich anscheinend gar nicht daran störten, dass sie Schlag 00.00 Uhr immernoch an der selben Stelle mit uns warteten und nicht mal Anstossen konnten, da Essen und Trinken innerhalb des Shchreinsgelände verboten war. Per Riesenbildschrim konnten wir dann verfolgen, wie ein Mönch punkt Mitternacht anfing, 108 mal auf die grosse Schreinstrommel zu schlagen; ein Brauch, um die 108 Begierden der Menschen zu vertreiben. In Gruppen von vielleicht 200 Leuten leiteten nun die Staffs uns mit einigen Zwischenstopps immer näher richtung Schrein. Um 00.30 Uhr dann etwa dort auch sicher zwischen all dem Menschengedränge angekommen, standen wir immernoch etwa 10 Meter von eigentlichen Altar entfernt hinter den Leuten, vorauf wir unsere Münzen einfach schwungvoll über die Köpfe derer vor uns warfen und halt ganz hinten zwei mal in die Hände klatschten, uns verbeugten und dann für das neue Jahr beteten (wobei wir uns vorher noch beraten haben, ob wir da jetzt auch Deutsch beten dürfen oder doch besser auf Japanisch, damit die Kami (Götter) uns auch sicher versehen). Ein Ema haben wir dann auch noch aufgehängt; das sind kleine Holztäfelchen, auf die du einen Wunsch oder eine Bitte schreibst und sie an einem Haag um einen heiligen Baum festmachst.




Nachdem ich mich dann mit einem Becher Amasake, vielleicht vergleichbar mit unserem Glühwein, einfach weiss und aus Reis gemacht, erstmal von dem ganzen Wahnsinn erhohlt hatte, gings dann auf ins Ausgangsviertel Shibuya, wo eigentlich die ganze verbleibende Nacht Karaoke auf dem Plan stand, meine treuen Gefährten aber zu schockiert von den Preisen waren und wir uns deswegen auf den Heimweg gemacht haben. Um vier Uhr wieder in der Basiszentrale angekommen, sahen wir uns zusammen noch einen Film an; mit schlafen war nämlich nix, wollten wir doch ganz japanisch-romantisch den Hatsuhi no De, den ersten Sonnenaufgang im Jahr, zelebrieren, der aber leider erst 06.47 Uhr stattfand. Der Müdigkeit zum Trotz haben wir's aber doch geschafft, rechtzeitig zum obersten Stock des Wohnheims zu hechten und das Spektakel auf uns wirken zu lassen.


Deswegen heute erst um 16.00 Uhr aufgestanden, ist mein Schlafrythmus zwar mal wieder vollkommen im A*sch, aber das neue Jahr kann beginnen!

Freitag, 21. Dezember 2007

Von Ferien, hüpfenden Russen und Handtaschen

Nach der letzten Hürde Prüfungen sind nun endlich die Ferien angeborchen, gleichzeitig aber auch eine neue Kältewelle, die mich in meinem undichten Papphäuschenzimmer doch ab und zu schlottern und die Heizungskosten in die Höhe schellen lässt. Deswegen habe ich auch vor, mir eine piekfeine, brandaktuelle RUSS-K Winterjacke zu kaufen, die unter den hiesigen Shibuyanern und Harajukern grade im Trend liegt und für die meine zwar wenig talentierte, dafür aber innig geliebte Idolband NEWS gerade Werbung macht. Warm halten tut mich aber auch der viele Winterspeck, den ich mir durch Guetzli und Schoggi aus der Heimat schon angefressen habe. Dank fleissigen Postgängen meiner Familie oder meines Göttis halte ich unter meinen Freunden im Wohnheim den ungeschlagenen Päckchenrekord! 6 Päckchen und eine Karte habe ich in den zweieinhalb Monaten, in denen ich schon hier bin, empfangen dürfen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bedanken. Gerade heute ist wieder ein Fresspacket angekommen, aber diese Guetzli werden aufgespart bis Sonntag, denn da findet unser letztes "Advent Kaffee und Kuchen Kränzchen" statt, das sich die Germanenfraktion eingerichtet hat.


So, nun aber fix zu den heutigen Themen:

Weihnachtsaufführung
Ich wurde von einer japanischen Tutorin dazu aufgefordert (man sagt auch "gedrängt" dazu), bei einem kleinen Weihnachtstheater aufzutreten, das sie zusammen mit einem Konzert organisiert hatte. Es ging dabei darum, einige verschiedene Weihnachtsbräuche Europas aufzuzeigen. Unter der Bedingung, dass ich weder sprechen, noch tranzen, noch seltsame Kerzenhüte auf meinem Kopf tragen muss, willigte ich ein und wurde so zu einer Temporär-Schwedin, die zusammen mit dem Temporär-Schweden Fips einen Christbaum schmückten, während dann doch noch ein echter Schwede eine kleine Rede hielt (Feedback der Tutorin: Esther... Weihnachtsbäume stehen dir. Du siehst daneben so europäisch aus!). Die Italiener schrieben mit manchmal unterdrücktem, manchmal auch nicht unterdrücktem Gekicher Wunschlisten an den Papa Noel, die Engländer versuchten sich an einer A Capella Version von Merry Christmas (die Performance hätte aber sicher von ner Gruppe balinesischer Kleinkinder in Kartoffelsäcken übertrumpft werden können (nichts gegen Balinesen)) und die Russinnen hüpften mit epileptischen Zuckungen und Sprügen um einen Weihnachtsbaum (wenigstens ihnen schien es Spass zu machen). Naja, die Tutorin betitelte das Spektakel als gelungen...

Männerhandtaschen
Der urbane Japaner von heute schmiert in seine orange gefärbten Haare nicht nur ein Döschen Gel pro Tag oder trägt Schlappen in Form von Cowboy Stiefeln, nein, sein wichtigstes Accessoire ist eine Handtasche in seinen Händen oder am angewickelten Unterarm baumelnd, vorzugsweise von Gucci oder Louis Vuitton. Diese Männerhandtaschen machen was Farbe und Grösse anbelangt denen der Frauen ernsthafte Konkurrenz und man kann erschreckend viele von ihnen nur schon auf dem Unikampus erspähen. Über den Inhalt werden zahlreiche Vermutungen angestellt, bewiesen ist aber noch nicht viel. Aus meinen bisherigen Forschungen kann ich nur sagen, dass die Tasche wahrscheinlich weniger zum Versorgen der Geldbörse benutzt wird, denn diese ist ja auch von Luis Vuitton und muss deswegen an einem Ort aufbewahrt werden, wo sie gesehen werden kann (vorzugsweise möglichst lange Portemonnais in den hinteren Hosentaschen, worüber sich jedes der Langfingerkinder am römischen Bahnhofe freuen würde). Naja, die Männer-Mode der japanischen Jugendlichen, wenn nicht gerade im einheitlichen Businessanzug, ist sowieso ein Thema für sich und für Europäer vielleicht zuerst einmal ein wenig befremdlich, oder besser gesagt metro- bis homosexuell.


男香り - der Männerduft
Seit einiger Zeit schon immer in den Regalen der Konbini beäugt, gestern dann endlich mal ausprobiert: Otoko Kaori, der Kaugummi, der Männerschweiss nach Rosen duften lässt. Versuchskanninchen war Fips (naja, als einziger Mann im Dreierbunde keine grosse Auswahl), der sich zwar mit etwas Unbehagen, aber doch tapfer dem Experiment ganz im Sinne der Forschung für japanische Studien gestellt hat und den Kaugummi in den Mund steckte. Ergebnis: Im Umkreis von 30 cm um Fips herum schwebte tatsächlich eine ...intensiv... nach Rosen ...duftende... Wolke. Ob der Duft aber vom Körper aus kam, oder doch nur vom Kaugummi her, konnte bei dem Experiment nicht festgestellt werden.


So, mein Bettchen ruft, aber heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage!

Mittwoch, 5. Dezember 2007

Nippon Weisheiten

Hallihallo, meine geschätzten Leserinnen und Leser, hier ist wiedermal ihre Erzählerin live aus Japan, die, nachdem sie den ersten Prüfungsansturm zwar mehr schlecht als recht, aber trotzdem überstanden hat, endlich mal wieder etwas Zeit findet mit ihren aufgedunsenen Berichten aus ihrem im Moment ziemlich spektakulärlosen Leben in der Ferne zu berichten (4 Zeilen, 1 Satz, dass soll mir mal einer nachmachen!). Hier auch gleich noch ein grosses Dankeschön für das Stückchen Heimat, das ich gestern im Austauschstudenten-Zentrum abholen durfte!
Während ich mich also ernsthaft zusammenreissen muss, dass ich nicht gleich alle Guetzli auf einmal verschlinge, sondern schön rationiere, damit ich mich ein Weilchen daran erfreuen kann und auch meine Freunde noch daran Teil haben können, möchte ich nun gerne über einige Beobachtungen und Erkenntnisse von kleinen Kuriositäten des nipponischen Völkchens, auf deren Insel ich mich befinde (im Volksmund auch als "Japaner" bezeichnet), berichten.

Was, ihr geht schon seit 2 Jahren miteinander aus und ich hab nichts bemerkt??
Japanische Männlein und Weiblein verhalten sich anders als schweizerische Männlein und Weiblein. Ob dieser Unterschied ihren Ursprung bei den hiesigen Bienen findet, kann ich zwar nicht zurückverfolgen, ABER er ist definitiv vorhanden, denn anders als bei uns, scheint es hier eine sehr private, wenn nicht peinliche Angelegenheit zu sein eine Liebesbeziehung zu führen. Auf dem Kampus sieht man nie, wie sich zwei Menschen küssen, umarmen oder Hände halten, ja, Päärchen scheinen gar nicht existent (Ich habe aber aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass es sie doch gibt!). Mit wem du zusammen bist, ist Privatsache, das geht andere nichts an, besonders nicht die, die dich kennen. So kann es also vorkommen, dass es in deinem Freundeskreis ein Päärchen gibt, von dem du nicht den blassesten Schimmer hast (so einer hiesigen, japanischen (!) Freundin von mir geschehen, ich verweise auf den Titel dieses Abschnittes). Von deinen Klassenkameraden gesehen zu werden, wie du mit deinem Freund/deiner Freundin vertraulich bist (z.B. umarmen und Begrüssungkuss), ist peinlich und zu unterlassen. Händchen halten geht also an Orten, wo dich keiner kennt, etwa dem Ausgangsviertel Shibuya oder Shinjuku, aber ganz sicher nicht an der Uni, da könnte ja das Gerede losgehen. (bei Ausländern ist der Fall jedoch wieder anders, wir dürfen anscheinend küssen wann, wo und soviel wir wollen, da wir ja zuhause auch öffentlich unsere Affektion gegenüber unserem Partner ziegen und es sowieso nicht besser wissen).

How are you - Ausländer sprechen alle Englisch
Erspäht der durchschnittliche Japaner ein westliches Gesicht in der Menge, ist der Fall schon klar: Du bist Amerikaner und sprichst natürlich Englisch. Wie, es gibt auch Westler, die nicht Englisch sprechen? Du bist doch Ausländer, also hast du gefälligst Englisch zu sprechen!
So jedenfall erscheint es mir, wenn ich wieder mal die Zielscheibe eines alten, hartnäckigen Inselbewohners geworden bin und als lebende Englisch-Konversations-Übung herhalten muss, obwohl ich dem Herrn doch schon einige Male in relativ schönem Japanisch mitgeteilt habe, dass ich ja eigentlich kein Englisch verstehe (was ja nicht wirklich der Wahrheit entspricht, was uns aber nicht zu kümmern braucht). Selbst auf der Uni wird nach einem freien Stuhl mit "May I?" gefragt, der Billetkontrolleur sieht wohl das an mich gerichtete "Thank you" als willkommene Abwechslung und die Schülerinnen rufen stolz ein "Hello!" zu uns herüber. Trotz Helvetica-Pullover, Militär-Gürtel und Schweizer-Rucksack scheint meine Herkunft dem Grossteil der Leute nicht einleuchtend zu sein; ich bin einfach eine Ausländerin und Ausländer sprechen prinzipiell mal alle Englisch.

Extreme-Recycling
Es gibt zwar wenig Mülleimer in Japan, aber wenn du tatsächlich mal einen gefunden hast, stehst du nicht vor einem simplen Abfalleimer, nein, sondern vor einer halben, vielleicht auch ganzen, Entsorgungsstelle. Der Standart ist meist ein Eimer für brennbaren Müll, einer für Nicht-Brennbaren, einen für Dosen, dann für PET und für "anderes". In der Mensa haben wir zusätzlich noch einen für Essensresten und einen für Flaschen. Was kommt aber nun in welchen Eimer? Über dies nachsinnend habe ich schon so manche Augenblicke vor den verschiedenen Mülleimern gestanden, bis ich mich dann endlich entschieden habe, was etwa wo hin kommen könnte. Das Tetrapack ist Brennbar, dessen Strohhalm kommt aber in Nicht-Brennbar. Das Preisschild am Shirt ist Brennbar, das durchsichte Halterchen aber Nicht-Brennbar. Jedoch ist die Art zu trennen überall verschieden und jede Stadt hat ihre eigenen Regeln. Im Heimatort eines Freundes zum Beispiel gehört die PET-Flasche zwar ins PET, davor musst du aber das Papier rund um die Flasche abziehen (da brennbarer Müll), den Deckel wegnehmen (Plastik) und zum Schluss auch noch das runde Plastikding um den Flaschenhals, dem wir normalsterblichen Umweltsünder ("nicht lieb zur Erde") nur in Momenten der Langeweile Beachtung schenken, abknobeln, bevor du dich der Flasche entgültig entledigen kannst.

So, meine Zeit wird langsam knapp und die Guetzli sind auch schon alle. Mehr von den lieben Japanern das nächste Mal!