Mittwoch, 31. Oktober 2007

Schwiizer sii


Schon bald einmonatiges Jubiläum. Ich hoffe doch stark, dass ihr mich alle schon sehr vermisst?!
Jedenfalls gebe ich alles, um die Schweiz in diesem weit entfernten Land gerecht zu vertreten. Naja, so weit scheint die Schweiz eigentlich gar nicht wegzusein, gibt's im Supermarkt doch das "Heidi-Fondue" aus dem Plastikpack und in den Bücherläden die Alpen-Kalender fürs kommende Jahr. Auch auf dem Kampus hab ich dank meiner schweizer Herkunft schon einige Bekanntschaften schliessen können; da wäre zum Beispiel Saori, die ein Jahr in Romanshorn verbracht hat. Leider hat sie danach aber auch noch ein Jahr in Östereich gelebt, wodurch sie ihren schweizer Akzent ziemlich verloren hat und jetzt nur noch rumwienert. Und ist da noch Rui, diesen Sommer erst aus einem Austausch im Gymnasium an der Enge zurückgekommen. Ich kann mir das Grinsen einfach nicht verkneifen, wenn sie mich mit ihren grossen Augen ansieht und ganz aus der Kehle heraus "wükkli??" hervorbringt.
Bei ihr und ihrem Freund war ich letzte Woche zum gemeinsamen Kochen eingeladen. Es gab Nikujaga (Nikutschaga), eigentlich das, was die meisten der geschätzten Stammgäste am Mittagstisch als Chinapfanne kennen. (Ab jetzt also bitte Japanpfanne) Ruis Freund Takuya ist, wie sie selbst auch, Germanistikstudent, versteht aber natürlich kein Wort, wenn wir in unserem "Geheimcode" Schwiizerdütsch sprechen; was sich doch ab und zu als nützlich erwiesen hat.

Überhaupt hat das Schweizersein viele Vorteile. Nicht nur sind wir sowieso die Schlausten, wie's ein Schaffner, den wir mal nach dem Weg gefragt haben, meinte, sondern wir sind auch Heidi. Die Deutschen mögen von mir aus Papst sein, aber WIR SIND HEIDI. Und mit diesem Herzig-Faktor ist die grösste Schlacht schon mal gewonnen. Ausserdem haben wir dann ja auch noch Käse, Taschenmesser und das Matterhorn. Und 4 Landessprachen. Jaja, die Japaner mögen die Schweiz, was sie doch durchaus sympathisch macht, oder?
Als Japanologin, also Japanwissenschaftlerin, interessiert mich auch, was die japanischen Germanisten denn so treiben. Deswegen besuche ich jeden Mittwoch Morgen die Deutsch-Frischlinge im Grammatikunterricht. Der Lehrer hat daran auch seine helle Freude, muss er doch nicht selbst immer die Bespielsätze vorlesen, wenn er dafür doch nen Native in der Klasse sitzen hat. So werde ich also meistens aufgerufen, den eben übersetzten Text vorn am Lehrerpult laaaaaangsam vorzulesen und die Studenten es alle paar Worte nachplappern lassen - Zwei Mal. Ausserdem plant ein anderer Deutschlehrer eine ÜbungsCD für die Studenten, wofür er gerade Stimmmodels sucht. Ich wurde da ebenfalls angefragt, und bin dem auch nicht abgeneigt, aber mehr erfahre ich wohl erst später. Ihr seht also, ich versuche meinen Aufenthalt hier aktiv zu gestalten.

Der Lehrplan ist jedoch nicht das einzige Aktive zur Zeit. Gestern abend war ich joggen. Jawohl, das Joggen, bei dem du dich in nen Trainer zwängst und doch tatsächlich auf einer Bahn Runden laufen gehst. Letzte Woche war ich mit Fips, meinem östereichischen Mitstreiter, im passend benannten "Alpen" (man erinnere sich, WIR SIND HEIDI) Sportsachen einkaufen. Dabei ist uns aber beiden ein weiterer Faux-Pas geschehen, denn in unserem nichtswissenden Leichtsinn haben wir die Umkleidekabine samt Schuhen betreten. Jedenfalls hab ich bei all den OkonomiyakiParties (jap. Pizzen) und dem süssen Zeugs, das alles ausprobiert werden muss, wirklich langsam aber sicher den Drang, etwas für meine Fitness zu tun. Nur ein Glück, dass ich die Laufbahn gleich vor dem Haus liegen habe, sonst würde ich wahrscheinlich auch keinen Finger rühren.

Also, ich muss ab in den Unterricht.
Hebed eu Sorg!

Dienstag, 23. Oktober 2007

Von Studentenleiden und Fahrrädern


So meine Lieben, da ist sie mal wieder, die abtrünnige Bäckerstochter, die sich einfach nach Japan abgesetzt hat.
Die erste Vollzeitschulwoche ist geschafft und ich hatte schon beinahe efürchtet, dass mich die Welle Hausaufgaben, der ich mich gegenübersah, mich direkt von der Insel wieder richtung Heimat schwemmen würde, doch mittlerweile hab ich mir Flügeli in Form von Vokabelkärtchen angelegt, die mich halbwegs über Wasser halten. Am meisten Wasser schlucke ich aber immer noch im Schriftzeichenkurs. Eigentlich wollte ich ja ins 2. höchste Level, aber dort schrieb ich nen Test und als mir dann mitgeteilt wurde, dass ich auch in den höchsten Kurs gehen könne, konnte ich meinen Ehrgeiz und Stolz, so eingeschätzt zu werden, nicht zügeln und wechselte in den oberen Kurs. Nach den ersten 5 Minuten Klasse wurde mir aber klar, dass der hübsche junge Lehrer wohl der einzige Lichtblick dieses Kurses bleiben wird für die kommenden paar Monate.















Wie dem auch sei. Ich habe vernommen, dass es im Schwiizer Ländli schon geschneit haben soll. Tja, was für ein Pech, ich hab nämlich heute mittag zusammen mit ein paar Freunden draussen in angenehmen 23 Grad zu Mittag gegessen. Richtig gehört, ich kann jetzt Nahrung zu mir nehmen, da das mit den Stäbchen und der Nudelsuppe langsam, aber sicher ohne Klekern zu funktionieren beginnt. Anklimatisiert haben wir uns alle eigentlich schon ganz gut, rennen wir doch genau wie die Japaner mit vollgestopften Taschen und Büchern im Arm von einer Vorlesung zur anderen und stehen mittags brav hinter den 60 anderen Schülern, die schon mehr Übung haben und daher schon vor uns in der Mensa waren, beim Curryreis an. Nach der letzten Vorlesung dann ab ins Zimmer oder die Kafeteria, wo allgemeine Hausaufgabenverzweiflung immer öfter das Kopfkratz-Sydrom auslöst. Somit bin ich also wieder in demselben Studentenleben wie zu meiner Zeit bevor Japan, ausser dass mein bester Freund ein Haushaltsgerät namens Swiffer geworden ist. Ja genau, das Nesthäckchen putzt Wohnung, macht Wäsche und kocht sogar zusammen mit einer Freundin essbares, und noch dazu leckers, Essen!















Dennoch gibt es etwas, dass unbedingt noch angeschafft werden muss: ein Fahrrad. Nein, das ist nicht China, aber auch in Japan hat sich ein Fahrrad als überaus nützliches Transportmittel entpuppt. Nicht nur kommst du schneller von A nach B, die Fahrradfahrer besitzen hierzulande auch noch das exklusive Recht des kompromisslosen Vortritts - auf dem Gehsteig. Ein japanischer Freund hat mir dieses Phänomen folgendermassen erklärt: rechtlich gesehen müssen die Fahrräder auf der Strasse fahren, aber die Strasse ist ja wegen den vielen Autos viel zu gefährlich, also bleibt den armen Kerlchen nichts anderes übrig als aufs sonst schon schmale Trottoir auszuweichen. Wenn du dich also in einem Dreiergrüppchen zu Fuss in Tokyos Vorstadt bewegst, ist es überaus ratsam, hintereinander und nicht nebeneinander zu gehen; es kommt sowieso jede Minute ein penetrantes Klingeln von hinten oder vorn. Ausserdem scheinen sie sich noch nicht über eine Höchstgeschwindigkeit Gedanken gemacht zu haben, die einen kommen im Schritttempo und die anderen mit 150 Sachen daher. Am Besten ist es dann noch, wenn der Fahrer eines dieser klapprigen Metalesel gerade auf sein Handy kuckt und ne SMS schreibt und in der anderen Hand noch den aufgespannten Regenschrim balanciert. Was lernen wir daraus?
Kommst du in Japan zu Fuss daher, sehen wir dich bald nimmermehr.
Denn ein Fahrrad tauchte plötzlich auf und machte dir den Gar gleich aus.
Daher: Wenn du sie nicht bezwingen kannst, verbünde dich mit ihnen. Also ja, ich brauch ein Fahrrad.
















Glücklicherweise kann man das im Don Quijote erwerben, dem 3 Stöckigen Billig-Paradies, in dem man gleichzeitig Nahrung, Kosmetik, Elektronik, Fashion und Auto-Tuningteile findet. Überhaupt lädt alles hier zum Shopping ein. Alle Läden haben abends sicher bis 21.00 Uhr geöffnet und es würde ganz sicher nie jemandem überhaupt in den Sinn kommen, dass sich das übers Wochenende ändern könnte. Sie ticken halt schon etwas anders, die lieben Japner. Den Fisch kannst du mit ner Spaghettizange aus nem Kistchen im Supermarkt greifen, Krawattenträger und Highheels-Mädchen tanzen zusammen an einer öffentlichen Fitnessaktion, während dem Gehen essen, trinken oder rauchen geht auch nicht, die Keller stehen ausserhalb der Gebäude als Mietbunker, der Campus gleicht mehr einem Catwalk, das Boys Cheerleading Team ist auch nicht von schlechten Eltern, auf den RedBulls steht erklärt, wie man die Dose zu öffnen hat, den Müll trennst du in brennbar - nicht brennbar - Pet - Dose - Flasche und Sonstiges, Getränkeautomaten und Toiletten geben Musik von sich, plötzlich fliegen mal ein paar hundert Papiervögel durch den Himmel, zuhause musst du etwa 3 Paar Hausschuhe haben (für den Gang, für die Wohnung und für die Toilette) und mit dem Morgentraining hab ich mich auch schon abgefunden. Und wie meine Freundin Maru heute so schön gemeint hat: "Hör endlich auf, wie ein Europäer zu denken!"
Die Verjapanisierung sch(st)reitet fort.



Samstag, 13. Oktober 2007

Johnny's Shop - Der Ganz Normale Wahnsinn

Heute morgen begannen natürlich, trotz christlich oder zumindest europäisch abgesegnetem Ruhetag, wieder die Lacrosseerinnen, AmericanFootballPlayer und Fussballjungs pünktlich um 8 Uhr mit ihrem Training. Nach einer guten Viertelstunde Rebellismus meinerseits gegen die in mein Zimmer hallenden Anspornrufe, gab ich dann doch nach und stand auf. Erleichtert konnte ich auch feststellen, dass die gestrige Party des "Clubs for Foreign Exchange" keine unangenehmen Nachwirkungen wie Kopfweh oder Übelkeit hinterliess und machte mich daher zur Abwechslung mal ans Zimmeraufräumen.
Um 11 Uhr traff ich mich dann mit Maru, Prea und Ju, alles Mitstreiterinnen und treue Kumpaninen, wenns ums Fangirlen von japanischen Schauspielern geht, welche, wie einige von euch vielleicht schon mitbekommen haben, meine grosse Leidenschaft sind. Jaja, die japanischen Idols - von den Frauen verehrt, den Männern beneidet. Alleskönner auf der Tanzfläche, hinter dem Mikrophon und vor der Kamera. Jung, dynamisch, gutaussehend. Auf jedem Plakat an jedem Pfosten. Auf jedem Werbekanal und in jeder 2. Fernsehsendung - Das sind sie. Das sind die "Johnnys" (benannt nach der Agentur "Johnny's Entertainment", bei der sie versklavt, oh, entschuldigt, unter Vertag stehen).
Gut. Auf zum Johnnys Fanshop in Harajuku, mit dem Zug etwa 1 Stunde entfernt, wohin wir uns auch alsbald auf den Weg machten. Kurzer Stop in Shibuya um auch noch Mine, eine weitere Fangirl-Kameradin, aufzuschnappen. Und dann endlich sind wir da, beim langersehnten und viel erträumten offiziellen Fanshop unserer Lieblinge. ABER - noch sind wir nicht drin. Ich möchte daran erinnern, dass wir hier in Japan sind, dem Land der ungeschriebenen, doch bedingungslos akzeptierten Ordnung. Und ausserdem gibt es erwähnenswert viele japanische Frauen, die samstags zu diesem einen offiziellen Besabbern antreten wollen. Was heisst das also für uns? - Hinten anstellen. Und der Laden ist noch nicht mal in Sichtweite.
40 Minuten lang werden wir nun Zeugen eines hoch organisierten Treibens. Drei männliche Shop-Staffs reihen die Mädchen (und den einen Vater, der wohl für seine Tochter ein Geschenk kaufen wollte) fein säuberlich durch einen Platz hintereinander auf: Bitte in 4er Reihen zusammenstehen, Bitte alle etwas mehr auf die linke Seite, Jaaaa genau, Wir danken für ihre Kooperation. Ganz vorne steht eine Frau, die alle 10 Minuten ein paar Mädchen abzählt und sie in eine Seitengasse zum Ort des Begehrens führt. Da stehen wir also, 5 Gaijin (Ausländer) inmitten 50 Japanerinnen, aufgereiht neben dem Gehsteig und fragend beäugt von den Passanten, die keinen blassen Schimmer haben worum es eigentlich geht. Und dann ist es soweit: unser Grüppchen rückt nach vorn zur Frau. Die erzählt uns nun das, was sie an diesem Tag wahrscheinlich schon dutzende Male runtergerattert hat: Der Shop hat zwei Stockwerke, aber sie sind im Ersten eingeteilt. Gehen sie nicht in den zweiten Stock, dort werden genau die selben Dinge verkauft. Verhalten sie sich ruhig während sie im Laden sind. Nehmen sie Rücksicht auf die anderen, die auch etwas kaufen wollen. Wenn sie fertig sind, entfernen sie sich wieder, gehen sie nicht in den zweiten Stock. Ok ok, wir habens verstanden. Aber sie muss das sagen, wahrscheinlich spricht sie ja aus Erfahrung, da Fangirls tatsächlich eine Tendenz zu Gekreische, Rumgeschubse, Wutausbrüchen oder/und Panikattacken haben, wenn es um ihr Lieblingsidol geht. Mit etwas weichen Knien und Herzflattern gehts nun auf zum Shop: Ein Raum, vielleicht etwas grösser als eine Wohnstube, vollgespickt mit Originalfotos hübscher Männer. Am Eingang natürlich nochmals ein Staff, der die Käuferinnen daran erinnert, Ruhe zu bewahren. Und Fotos machen verboten. 20 Minuten später, 5 Fotos reicher und 750 Yen ärmer komme ich dann wieder raus aus dem Laden, in dem der Wahnsinn herrscht; und auf dessen Tüte geschrieben steht: "It's always best in Johnny's entertainment world. Enjoy yourself and have fun! fun! fun!"
Jaja, viel habe ich gelernt heute über die lieben Japaner!

Dienstag, 9. Oktober 2007

Einstufungstest

Heute morgen, sanft von den Anfeuerungsrufen der hiesen Lacrosse-Damen-Mannschaft um 8.00 Uhr geweckt, gings frisch ans Werk, in diesem Fall der Einstufungstest für die kommende Klassenformierung. Nachdem gestern noch allgemeines Panik-Machen und verzweifeltes letzes Einschaufeln japanischer Grammatik und Kanji die Stimmung im Wohnheim dominierten, fand ich die Gänge kurz vor halb Elf doch ziemlich verlassen vor.
Der Test an sich verlief relativ ruhig, wobei auch ich ab und zu stirnrunzelnd vor dem Multiple-Choice-Blatt sass und ganz japansich den Stift zwischen den Fingern hin und her gleiten liess. Alsbald machte sich die Germanisten-Fraktion, gemischt mit einigen schwarzen Blochergeissböcken aus Schottland und Russland, dann auch auf in die Mensa Futter kaufen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich jetzt behaupten, dass der bunte Haufen doch ziemlich aufgefallen ist in dem durchschnittlich 15 cm tiefer liegenden Teppich schwarzer Haare, aber ich will hier ja niemanden persönlich angreifen; sie sind halt doch richtig lieb, diese Japaner. (Ich glaub, das wird mein Motto-Spruch, den sollte ich mir patentieren lassen.)
Gestärkt von der Nudelsuppe gings dann mal auf in die ersten Unterrichtseinführungen. Gnädigerweise gewährt die TUFS ihren ausländischen Besuchern eine Woche den Publikums-Joker um sich die ganzen Kurse mal anzusehen, bevor man sich definitiv einschreibt.
Einige der Stunden werden in Japanisch gehalten, andere in Englisch, und wieder andere in ner Sprache, für die erst noch nen Namen erfunden werden muss (Japanglisch?). Wie dem auch sei, das Studienangebot ist reichlich, hier ein Appell an meine geliebte Uni ZH sich damit doch mal genauer zu beschäftigen (für Fragen stehe ich gerne zu Verfügung) und die Lehrer sind ganz sympatisch, obwohl ich mir teilweise nicht sicher bin, ob sie sich nicht doch mal nem Drogentest (Speed, Ecstasy) unterwerfen sollten. Ausserdem haben wir Shuu kennengelernt, sehr offener (und natürlich hübscher) Einheimischer und einer der wenigen japanischen Mitstudenten, die leider nur selten zu finden sind in unseren Ausländerkursen. Obwohl ich wohl ober übel auch ihn erschreckt habe mit meiner GameCenter-Leidenschaft. (Taiko no Tatsujin - Die Freunde der Trommel)
Wie dem auch sei! Im Test hab ich mit 6oo Punkten abgeschlossen, d.h. 6. Level von insgesamt 8. Damit ist der Stundenplan mal mehr oder weniger festgelegt, womit wohl mehr früher als später bald der Alltag seine Einkehr finden wird.
Und heute gibts keine Bilder, denn die hab ich vorhin KOMPLETT gelöscht, als ich sie auf den Laptop kopieren wollte - ich bitte um ne Urkunde und so viele Waschmaschinen, wie ich tragen kann ~.~

Samstag, 6. Oktober 2007

Der Anfang vom Ende

Aaaalso.
Drei Tage sind nun schon vergangen da meine Wenigkeit, Vollblut-Schweizerin mit Japanologie-Studium, im Land der aufgehenden Sonne und zirpenden Insekten verweilt. Nach meinem Geschmack beginnt der Tag zwar duch die Sportclubs, die auch samstagmorgens pünktlich um 8 Uhr vor meinem Balkon auf der Palette stehen, viel zu früh und die Zikaden sind auch heimtückischer als angenommen, aber dennoch strahlt alles eine ungeheure Faszination aus.
Am Flughafen wurde ich abgeholt von meiner Tutorin Emi, Germanistik-Studentin an der Tokyo University of Foreign Languages (TUFS), ausserdem Cheerleaderin und aktive Kalligraphin. TUFS hatte ihr im Voraus nach ganz japanischer Manier eine Liste zukommen lassen, in der genau beschrieben steht, wie sie was wann mit mir erledigen sollte. Und nach ganz japanischer Manier strich Emi dann auch den ersten Punkt, Austauschstudent am Flughafen abholen und sicher zur Uni bringen, fein säuberlich durch. Worüber ich auch sehr glücklich bin, denn ohne sie und die anderen Tutoren, die auch gleich mit uns mitkamen, hätte ich den Weg zum Wohnheim auch nie und nimmer geschafft!
Zwei Tage darauf, heute also gestern, dann der zweite Punkt: Ausländer-Registrierung auf dem städtischen Amt. Wieder begleitet von Emi, den Tutoren Kazuma (American Football spielender Germanist mit schweizer Taschenmesser) und Hiroko zuammen mit 2 aus dem benachtbarten Österreich stämmigen Austauschschülern also mit dem Mäusebus (wörtl. übers.) auf nach Fuchu. Und dann kommt das, was jeder aus "Asterix erobert Rom" im "Haus das Verrückte macht" kennt: Formularen nachrennen, Nummern ziehen, warten, Formulare nochmals Buchstabe für Buchstabe durchgehen, weil die nette Dame am Schalter deine Schrift nicht lesen kann, Stockwerk wechseln, wieder Nummer ziehen, warten, ausfüllen, japanischen Erläuterungen lauschen, sich hinten anstellen, provisorisches Formular erhalten, Stockwerk wieder runter und raus. Aber in 2 Wochen nochmals kommen um die Originale abzuholen, gell. Jedenfalls machte die nette Begleitung und die sichtbaren Bemühungen der Tutoren vieles wieder weg; sie sind halt schon lieb, diese Japaner.
Kazuma nahm sich nach diesen ganzen Anstrengungen sogar noch Zeit, uns etwas in Fuchu rumzuführen; selbst gewünschtes erstes Ziel: das GameCenter! Ein schon fast heiliger Ort für jeden geplagten Krawattenträger, Student oder Arbeitslosen, die zu jeder Tages- und Nachtzeit (24/7 Betrieb) dort anzutreffen sind, wie sie manisch eine Münze nach der anderen in die lärmenden Spielautomaten werfen (was sich Pachinko nennt) oder nach auf einem Bildschirm vorgegebenen Takt auf Trommeln einprügeln. Und da wäre ich auch schon fast dem ersten japanischen Laster in die Hände gefallen, denn hätte mich Kazuma nicht persönlich mit seinen Football-erprobten Händen von den Pachinko-Automaten weggezerrt, würde ich wohl jetzt noch Münzen einschieben.
Am gleichen Abend fand im Wohnheim dann die Welcome Party statt, organisiert von den Betreuern, die verstreut über das Wohnheim ihre Appartements haben und den unerfahrenen Schülern aus der Patsche helfen sollen. Sie sorgten für Getränke, überraschenderweise verstanden sie darunter einen Bierzapfen mit 3 Fässern Asahi, und wir Schüler sorgten für die Snacks; d.h. die meisten sind kurz vorher noch rasch in einen der 24-Stunden-Läden, Konbini, gerannt und haben Chips eingekauft. Wieder eine Chance mit TUFS Japanern zu kommunizieren, welche ich natürlich voll auskostete: Ich suchte mir den Hübschesten im Raum aus und begann ein japanisches Gespräch. Er stellte sich als TUFS Student mit koreanischen Wurzeln heraus und war zuerst einmal geschockt, 1. dass ich überhaupt Japanisch verstehe (Bist du Halbjapanerin?), 2. dass ich relativ fliessend Japanisch spreche (Bist du Japanerin?) und 3. sogar noch Kanji lesen kann (Bist du sicher, dass du keine Japanerin bist?). Als ich dann auch noch anfing, mit anderen Deutsch, Französisch und Englisch zu sprechen, hielt das sein männlicher Stolz wohl nicht aus: "Da drüben ist ne Koreanerin, komm mit, ich spreche mit ihr mal Koreanisch". Schmunzelnd erwiederte ich in meiner frei-denkend-schweizerischen Art "Ah, du willst dich jetzt etwas aufspielen, nur zu". Mit etwas geschockt, aber belustigten Augen setzt er sich wieder hin und meint: "Ja, ich will mich aufspielen, aber du bist einfach ZU direkt!"

Die TUFS und ich. Ich glaube, wir werden gute Freunde werden! ^_~