Dienstag, 25. März 2008

Rail Trip

Da wegen Ferien weder Uni noch Aufgaben, haben Maru und ich beschlossen durchzustarten auf eine 2-wöchige Reise kreuz-und-querlich durch das Kansai-Gebiet, das auf der Karte etwa oben und unten links von Tokyo zu finden ist. Gefahren sind wir mit einem Ticket namens Seishun 18 Kippu, mit dem wir 5 volle Tage Regionalzug-Flat-Rate einlösen konnten, die zwar verglichen mit den Shinkansen ja schon fast quälend langsam vor sich hin trotten, dafür aber der ganze Spass nur 100.- gekostet hat.
Und so kam es also, dass sich am Morgen des 2. März 2 furchtlose Abenteurerinnen auf die Spuren Marco Polos begaben und bepackt mit Rucksack, DigiCam und PolyGlott Reiseführer aufmachten neue Gefielde zu erforschen...
Teilnehmer Nr. 1: Maru
Teilnehmer Nr. 2: Esther


1. Station - Kanazawa (2. - 4. März)

Schwungvoll und energiegeladen wie immer setzten wir uns gleich einmal 14 Stunden lang in den Zug (mit 9 Umsteigestationen). Naja, wenigstens wissen wir jetzt, wie es aussieht, wenn man von der Ostküste Tokyos quer durchs Land an die Westküste fährt. Spät abends im zu unserer Überraschung verschneiten und kalten Kanazawa dann angekommen, machten wir uns gleich auf in die dortige Youth Hostel und fielen vom vielen Nichts-Tun todmüde in die Better.
Den nächsten Tag verbrachten wir damit, durch Kanazawas alte Gassen zu streifen und begutachteten neben der Schloss-Ruine (城 zum Ersten) und dem Kenroku-Garten auch einen sehr interessanten Ninja-Tempel, den man nur in Führungen ansehen durfte, da die Gefahr, sich an all den versteckten Falltüren und Öffnungen zu verletzen, verirren oder versehentlich aufspiessen zu lassen, einfach zu gross war. Danach schnupperten wir noch ein bisschen vergangenes Japan in einem Viertel voller alter Samurai-Häuser und einem anderen, das auf Geisha-Teehäuser spezialisiert war. Dmit war der Tag auch schon um, wir gönnten uns ein schönes japansches Bad in der Hostel und rannten ab und an nach draussen, um verzweifelt nach Netz für's Handy zu suchen, welches es uns nicht gegönnt war auf unserem Zimmer selbst zu empfangen.





2. Station - Nagoya (4. - 8. März)

Am nächsten Tag ging's dann innerhalb von nur fünf-einhalb Stündchen wieder zurück an die Ostküste in die Hafenstadt Nagoya, die verglichen mit dem doch eher verschlafenen Kanazawa ja schon fast heimische Tokyo-Gefühle in uns erweckte. Ausserdem hausten wir da nicht in irgendeiner Youth Hostel, oh nein, wir residierten im Meiryu Ryokan, einem japanischen Hotel, dessen Zimmer mit Tatami belegt sind, abends im schön heissen Bad entspannt (ZUERST waschen, DANN baden bitte), dann auf Futon geschlafen und morgens herzhaft japanisch gefrühstückt wird (also Reis, Miso-Suppe, Fisch, Wakame und Ei (roh, gerührt oder gebraten, wir haben alles erlebt)).
Am ersten Tag inspizierten wir Nagoya an sich, gingen das Schloss (城 zum Zweiten) besuchen, schauten uns im dortigen Tokugawa-Museum um (wo wir übrigens eine Original-Schriftrolle des Genji Monogatari, dem weltweit ersten Roman, bestaunen durften) und schlenderten dann Richtung Hafen. Dort fanden wir dann das Italian Village, einen Park, der Venedig nachgestellt ist und in dem man natürlich nur Pasta essen und Milano-Glas kaufen kann. Solche Themen-Freizeitparks sind zwar eine weit verbreitete Krankheit, oh, entschuldigt, Ansicht in diesem Land, aber dennoch zogen sich unsere Augenbrauen unweigerlich nach oben, als wir an einer Mini-David-Skulptur vorbei kamen.




Ein weiteres Highlight dieser 2. Etappe war der Ausflug ins Meiji-Dorf (sieh an, noch ein Themen-Park), eine künstlich erstellte Stadt mit teilweise originalen, teilweise nachempfundenen Gebäuden aus einer Zeit, in der sich Japan auf die Modernisierung einliess und daher viele westliche Einflüsse zu spüren waren. So sassen wir an Natsume Sôsekis Haus und schrieben Haiku auf Japanisch ("Auf der Reise, als Vorboten des Frühlings, blühen die Pflaumen"), spielten Doktor in einem Rot-Kreuz-Hospital, betraten seit längerem mal wieder eine Kirche und verpassten natürlich auch nicht die alte Sake-Brauerei. Das Park war unterteilt in 5 Viertel, jedes an sich nur schon von ziemlicher Grösse, und ich denke, ich kann mit Stolz sagen, dass wir kein Haus im ganzen Park ausgelassen haben. Jawohl, wir haben ALLES gesehen, A-L-L-E-S. Ob's an der Sonne lag oder den zurückgelegten Kilometern kann ich bis heute noch nicht sagen, aber auf jedenfall war das Stimmungsbarometer mittlerweile von Begeisterung zu Interesse über Been-There-Seen-That und Müdigkeit zu übertriebenem Gekicher und lächerlichen Gespärchen umgeschlagen.






Nichts desto trotz, bzw. genau deswegen, machten wir uns am späteren Nachmittag dann aber noch auf zu einer weiteren Sehenswürdigkeit, die da wäre Inuyama-Jô, die älteste Burg Japans und erklärter Nationalschatz (城 zum Dritten). Etwas ausserhalb von Nagoya gelgegen und fern ab von jeglichem Tourismus, liegt die Burg etwas erhöht auf einem Hügel und ist integriert in das Gelände eines Shinto-Schreins. Auf bestimmt 80 % steigenden Holztreppen kann man bis in den obersten 5. Stock der Burg gelangen, von wo wir eine schöne Abendstimmung geniessen durften. Schliesslich gingen wir uns noch eine örtliche Brücke mit dem Interesse erweckenden Namen "Rhein Brücke" anschauen (die jedoch in keiner Weise weder mit dem Rhein, noch mit einer Brücke zu vergleichen ist), bevor wir uns dann endlich auf den Nachhauseweg machten.




Gegen Ende unseres Nagoya-Aufenthalts kamen wir dann zum Schluss, dass es nun doch mal Zeit wird für einen Larifari-Tag um unsere strapazierten Beine zu erholen, die Blasen an den Füssen abkühlen zu lassen und dem Gemüt etwas Luft zu machen. Daher bestand unser 7. März überwiegend aus Schlafen, Shopping, Internet Café, Essen und wieder Schlafen - ein guter Tag!

3. Station - Kyoto (8. - 14. März)

Von Nagoya nach Kyoto brauchten wir gerade mal etwas um die 3 Stunden, waren aber dennoch ziemlich im Stress, da wir am selben Abend unserer Ankunft im ca. 30 Minuten entfernten Osaka bei der Mutter eines Freundes einer Freundin (Yuki ^.~) zum Abendessen eingeladen waren. Mama Muramatsu, die selbst schon einmal in der Schweiz war und mir ihre Matterhorn-Fotos natürich nicht vorenthalten hat, hat sich liebevoll um uns gekümmert, wir wurden mit Geschenken überhäuft (so z.B. ein selbst-gemachter Fächer), zu essen gab's natürlich auch reichlich und am Abend wurden wir dann noch auf einen Aussichtsturm eingeladen, von dem aus wir eine wunderschöne Sicht auf das nächtliche Osaka geniessen durften. Nach einem weiteren Tee zuhause bei den Muramatsu, begaben wir uns dann zwar erschöpft, aber in guter Stimmung zurück nach Kyoto ins unsere Bleibe, nämlich das J-Hoppers Guest House Kyoto.





In der Stadt selbst verbrachte ich insgesamt 3 Tage. Den einen streiften wir mit Fips und zwei seiner Freunde, die ähnlich wie Maru und ich auch gerade zu Dritt durchs Land reisten und auch gerade in Kyoto Halt machten, durch Kyoto, schauten uns einige Tempel an und gingen Abends zusammen essen. Einen anderen Tag nahmen dasselbe 5er Grüppchen und meine Komilitonin Simone an einer Frühung durch den Kaiserpalast teil, was sich nicht zuletzt dank unserer charmanten, Englisch(?)- sprechenden Führerin (There is a BIIIIIIIIIG builiding. With doors!) als ziemlich spassig entpuppte. An diesem Abend machten Simone und ich uns nochmals auf den Weg nach Osaka, um dort ein kleines, Schweizer Revival zu feiern. Wir hatten uns nämlich zum Essen verabredet mit Romy, ebenfalls eine Komilitonin, Yuki, die letztes Jahr in der Schweiz einen Austausch gemacht hatte, und Takashi, ein Freund von Yuki, der sie aber in der Schweiz besuchen gekommen ist und wir ihn von dem her kennen. Die Runde war extrem lustig und es war schon ein ziemliches "Das ist es!"-Gefühl, mit Leuten, die man aus der Schweiz her kennt zusammen in Osaka an einem Tisch zu sitzen und zu plaudern.
Den letzten Tag in Kyoto an sich verbrachten Maru und ich dann wieder alleine. Wir liessen es gemütlich angehen und schauten uns in aller Ruhe den Kinkakuji (Goldener Pavillion) und den Ryouanji (Drachen-Stille), einer der berühmtesten Zen-Tempel überhaupt, an.







Von Kyoto aus unternahmen wir 2 Tagesausflüge in verschiedene Städte. Zum einen fuhren wir mit Fips und seinen Freunden nach Osaka, wo wir uns das Aquarium anschauten, in das ich eigentlich schon auf meiner letzten Reise vor zweienhalb Jahren gerne gegangen wäre. In der Mitte des Gebäudes steht wie eine Säule über 5 oder 6 Stockwerke hinweg ein riesiges Becken voller Rochen, Haien und sogar einem ca. 15 m langen Wal. Die Becken zur Aussenwand sind die meisten ebenfalls stockwerkübergreifend, aber dafür der Länge nach unterteilt. Nach sicher 3 Stunden Wasserwelt bestauenen und einigen Mitbringsel aus dem Souvenir-Shop, bestiegen dann noch einige (also Fips und Maru nicht) ein Riesenrad, um ein paar schöne Fotos der Hafengegend zu schiessen, bevor wir uns dann richtung Nanba, das Ausgangsviertel Osakas, aufmachten. Dort wuselten wir etwas zwischen den belebten Strassen herum, assen Takoyaki (für mich ohne Tako, also Tintenfisch), zwinkerten hier und da einem der vielen freilaufenden SOM (Sexy Osaka Man) zu (Osaka ist eine gute Stadt!) und stiegen dann wieder in den Zug richtung Kyoto, will heissen Guest House, will heissen Bett.







Am letzten Tag sind wir im gleichen 5er Grüppchen noch nach Nara gereist, das genau wie Kyoto auch eine Hauptstadt des alten Japans ist. Warum Nara einen Ausflug wert ist, kann man wohl auf den Fotos schnell erkennen: Rehe. Die wild lebenden Tiere haben sich vor allem im hinteren Stadtteil angesiedelt, wo sich auch gleich der um 743 gegründete Todaiji befindet, der bedeutenste Tempel der Stadt und grösstes Holzbauwerk der Welt (obwohl er nur noch 1/3 so gross ist wie früher einmal). So haben wir also einen ganzen Tag damit zugebracht, die Tiere mit speziellen Reh-Senbei zu zeukeln, ah, sorry, zu füttern (die Viehcher können ganz schon hartnäckig sein), durch die Tempel-Anlagen zu streunen (wo wir auf einen Ziegel des Todaiji einen gemeinsamen Wunsch schrieben, natürlich ganz legal), Souvenirs zu kaufen (wichtig! Der Japaner von heute macht sich über JEDEN Souvenir-Shop her! Am besten gleich nach der Ankunft, dann ist das auch schon erledigt) und natürlich zu essen (Wenn du das Essen einer Gegend einvernimmst, wirst du Teil davon!).





4. Station - Hiroshima (14. - 17. März)

Der letzte Stopp! Nach weiteren 6 Stunden Zugfahrt quer durchs Mittelland erreichten wir Hiroshima, in der nicht wie üblich eine U-Bahn die Leute durch die Gegend kutschiert, sondern eine sympathische Strassenbahn deutscher Herstellung.
Hier hatten wir zwei volle Tage zur Verfügung. Den einen verbrachten wir in der Stadt selbst, trieben uns aber vor allem in der Gegend des Atombomben-Museum herum, in welchem ich aber schon vor 2 Jahren drin war und deswegen nicht nochmals rein ging, da es doch ziemlich schwere Kost ist. Den Atombomben Dom, die einzige übrigbleibende Ruine nach dem Anschlag, schauten wir uns aber an, genauso wie das Gedenk-Grab und die 1000 Papierkraniche, die Schulkinder für die Opfer gefaltet hatten.




Am anderen Tag unternahmen wir mit der Fähre einen Ausflug auf Miyajima, eine Insel vor dem Hafen Hiroshimas. Berühmt ist sie für den Ikutsushima-Schrein, der bei Flut vollkommen im Wasser steht, und das "Schwimmende Torii", ein rotes Shinto-Tor im Meer. Als "Insel der Schreine" darf auf ihr ausserdem niemand begraben werden. Und auch Miyajima wird von frei laufenden Rehen bevölkert und ich muss sagen, dass sie mir irgendwie sympathischer erschienen als die in Nara^^°
Nachdem wir uns durch die Futterstände und Souvenir-Shops gearbeitet und den Tempel besichtigt hatten, schrie das schöne Wetter förmlich nach Sonnenbaden. Kurzerhand setzten wir uns also auf einer kleinen Klippe zwischen Schrein und Torii an den Wegrand, genossen die Sonne und sahen der Flut zu, die sich immer mehr bemerkbar machte. Schliesslich wurden dann auch noch Schuhe ausgezogen, Hosen raufgekrempelt und durchs Meer gewaatet; natürlich nicht ohne ein paar coole Fotos vor dem Torii zu schiessen und dabei von allen anderen Touristen (=80% Japaner selber) beglotzt zu werden. Nachdem wir uns auf dem Rückweg zur Fähre dann noch mit absolut obercoolen Poser-Sonnenbrillen eingedeckt hatten (zwar etwas spät, aber hey, immerhin), ging's mit der Fähre wieder aufs Festland, erm, falsch, Honshû halt, die grösste Insel Japans.







Rückfahrt nach Hause
Unser Nachhauseweg langweilig und zugleich spektakulär. Im Hiroshima Guest House reisten wir morgens um 08.00 Uhr ab, am heimischen Bahnhof in Tama kamen wir etwa genau um Mitternacht an. Umgestiegen sind wir etwa 12 mal, lusterweise aber immer an Bahnhöfen, auf denen wir zuvor schon mind. 1 mal waren. Wie dem auch sei, Maru und ich sind jetzt waschechte Zugprofis und lachen jedem ins Gesicht, der meint, 2 Stunden Zug fahren lohne sich für einen Tagesausflug nicht. Ausserdem haben wir uns die ur-japanischste aller Verhaltensarten angeeignet, das In-Der-Sekunde-In-Der-Ich-Im-Zug-Absitz-Einschlaf-
Und-Wenn-Kein-Sitz-Frei-Ist-Tu-Ichs-Auch-Im-Stehen-Syndrom (kurz IDSIDIIZAEUWKSFITIAISS).





Interesting Facts:
- Ings. Reisezeit: 42 h 40 min
- Im Zug verbrachte Zeit: 36 h 10 min
- Anzahl Umsteigen: 28 x
- Zurückgelegte Strecke: 2327.6 km

Während dieser zwei Wochen haben wir sehr Vieles gesehen und erlebt und es war wirklich eine tolle Zeit. Ausserdem sind ja sowohl Maru als auch ich Japanwissenschaftlerinnen, weswegen auch Besuche in Museen gut möglich waren und Begeisterung geteilt werden konnte.
Von dem her also: Immer wieder gerne!

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