Montag, 31. Dezember 2007

Guets Nois

Gleich vorweg wünsche ich allen einen guten Start ins neue Jahr. Grosses Dankeschön auch an Tante Hedi und meine Eltern für die Unterstützung, Götti und Guido &Rosemarie für das E-Mail und der Felben-Fraktion für den netten Kommentar! Ausserdem nochmals alles Gute meiner Mum und meinem Dad, die ab heute zusammen (schon) dem 51. Geburtstag entgegen blicken dürfen.
So, eigentlich sollte man ja meinen, dass ich vieles zu erzählen habe von den Festtagen, aber zurückblickend ist eigentlich alles was Weihnachten und Silvester anbelangt zwar ungewohnt, aber ruhig verloffen. Die letzten Tage waren mehr vom im Ferien-Feeling in der Stadt rumwuseln geprägt als irgendwas anderes. Gesehen und gewerkelt haben wir dafür jede Menge und davon bedenke ich nun auch zu berichten:

Die Vorweihnachtstage
Da ein Freund vom Maru sie in Tokyo besuchen kam, rannten wir vorwiegend von einem Stadtende zum anderen (ganz im Sinne des Tourismus-Effekts), legten dementsprechend viele Kilometer (zu Fuss!) zurück und knipsten mal wieder unnötig viele Fotos (ich strebe ja immer meinem Idol, dem Durchschnittsjapaner am Matterhorn, nach). Konkret waren es etwa ein Besuch im Disney-Store in Shibuya (Sichtung eines brandneuen Mustangs, wenn auch weiss), zufälliges Erspähen eines Hochzeitumzuges am Meiji-Schrein (wichtigster Schrein in Tokyo, dem Meiji-Kaiser gewidmet), hemmungsloses Karaoke-Singen in Tachikawa, (Schaufenster) Shopping, Aufeinandertreffen auf eine Gruppe 40-jähriger Elvisse samt Haartollen, Pink Cadillacs und aus Boxen dröhnenden Elvis-Klassikern (die sich jeden Sonntag in Harajuku treffen um ihrem Vorbild zu huldigen) und ein erneutes Erklimmen des tokyoter Rathauses in Shinjuku (wo wir gerade rechtzeitig kurz vorm Sonnenuntergang ankamen und daher einen wunderschönen Ausblick geniessen durften). Ausserdem gabs an einem Abend mal noch ein weiteres Meisterwerk, das unserer kleinen Kochnische (in diesem Fall bzw. Hobbyofen) entsprungen ist, nämlich leckeren, ganz europäischen Makaroni-Auflauf.




Weihanchtstag
Ohne Schnee, dafür aber mit massig vergnügungssüchtigen Päärchen auf den Strassen (in Japan ist Weihnachten eine ziemlich kommerzielle Angelegenheit mit Traget Audience Verliebte), kann wohl keine europäische Seele wirklich in Weihnachtsstimmung kommen. Daher sind wir uns auch an diesem Tag einen weiteren Teil der Stadt ansehen gegangen. Morgens begaben wir uns nach Asakusa, Prémiere für unser Grüppchen, schauten uns den Schrein dort an und kauften einige Souvenirs an der putzigen Ladenstrasse dort. An einem See, bei dem du kitschtige Pedalos in Schwanenform mieten konntest (und viele Japaner das auch tatsächlich taten), dann keine kleine Verschnaufspause. Nach einer zu eskalieren scheinenden Auseinandersetzung mit den dort ansässigen Enten aber, entschieden wir uns dann doch dazu, besser weiterzugehen und schlenderten etwas durch das nahegelegene Viertel Ameyoko, in dem eine etwas harschere bzw. rockigere Stimmung herrschte und ich persönlich als sehr spanndenden Ort erlebt habe.
Nachmittags gings dann nach Akihabara, dem Elektro-Viertel. Wie immer dort haben wir viel Seltsames gesichtet, so zum Beispiel eine Traube 40jähriger Männer um zwei in Maid-Kostümen gekleidete Mädchen, die für die wild aufblizenden Kameras posierten oder etwa eine sicher 200 Meter lange Schlange von anscheinend wartenden Menschen in 4er Kolonen, an deren Anfang wir aber gar nichts Spektakuläres entdecken konnten, auf das es sich anzustehen gelohnt hätte (aber anstehen ist sowieso ein weit verbreitetes Hobby unter den Japanern; sobald er eine Menschenschlange sieht, bewegt ihn anscheinend ein unerklärlicher innerer Trieb dazu, sich ebenfalls dazu zu stellen).
Abends haben wir dann alle zusammen schön gekocht (Kartoffelsalat, Fisch mit Spinat und überbackenem Käse, Bratkartoffeln und zum Schluss Fruchtsalat auf Eis) und danach gegenseitig Geschenke ausgetauscht. Neben vieles coolen Goodies meines Lieblingsidols Akanishi Jin habe ich ausserdem noch eine Jacke bekommen, die ich schon seit ich in Japan angekommen bin gesucht, aber nie passend gefunden habe, deren Aufschrift da lautet "Air Guitar Club - Star-Feeling ohne überhaupt einen Akkord zu kennen". Hier nochmals ein riesiges Dankeschön an Maru und Fips!! Was Maru anbelangt, so waren wir an diesem Abend aber leider etwas in der Zwickmühle, denn das Buch, das ihr ihr Freund geschenkt hat, war ironischerweise genau das selbe Buch, das Fips und ich ihr zum Geschenk gekauft hatten...







Zwischen Weihnacht und Neujahr
Auch diese Zeit war mehr oder weniger hauptsächlich von kleinen Ausflügen, dafür aber viel Fussmarsch, geprägt. Zum Beispiel machten wir uns auf nach Roppongi, dem etwas exklusiveren Ausgangsviertel in Tokyo, wo Gucci, Christian Doir und Armani Tür an Tür wohnen. Seis wegen den Wolkenkratzern, seis wegen der himmelhohen Preise in den Läden (600 SFr. für einen MANSCHETTENKNOPF), jedenfalls kann's unsereinem gar nicht anderes ergehen als schwindelig zu werden in dieser Gegend. Also machten wir uns, natürlich wieder zu Fuss, auf zum nicht nahe, aber in der Nähe gelegenen Tokyo Tower (ebenfalls Prémiere für unser Grüppchen), den wir zwar nicht bestiegen, sondern im Gegenzug uns an einem Stand ein Crèpes gegönnt haben (Japaner stehen alle extremst auf Crèpes, das sie auch in jeglicher Hinsicht zur japansichen Perfektion getrieben haben). Nachdem wir wieder zurück am Bahnhof noch etwas vor den Roppongi Hills rumwuselten und die neusten Modetrends krititsch betrachten konnten, gings dann heimwärts.



Weiter haben sich Fips und ich auch einmal dazu aufgemacht, die Gegend um unsere Uni etwas weiter auszukundschaften. Ziel war das Grab eines Anführeres der Shinsengumi während der Meiji-Restauration, das angeblich in der Nähe sein sollte. Leider marschierten wir etwas spät am Abend erst los, und als wir das Grab hinter einem Tempel dann endlich gefunden hatten, war's schon zu dunkel um irgendwas erkennen zu können. Dafür haben wir aber sonst ganz interessante Entdeckungen gemacht, wie z.Bsp. einen Ami-Händler (ja, es gibt Japaber mit Stil), einen Fluss und einen riesigen Park mit faszinierendem Spielplatz, auf dem wir dann, der Dunkelheit zum Trotz, noch etwas rumgetollt sind und die ansässigen Spät-Jogger damit erschreckt haben.


Einen Tag sind wir dann auch noch mit der Monorail über die Rainbow Bridge nach Odaiba, einer aufgeschütteten Insel in der Tokyo Bucht, gefahren. Erst beim Anblick des Meeres wird einem erst wieder bewusst, dass Japan ja eigentlich eine Insel ist. Bei doch ziemlich heftigem Wind haben wir uns diesmal ans, nicht ins, Wasser getraut (das verglichen mit Kamakura ziemlich erbärmlich erschien), sind die grosse, silberne Aussichts-Kugel des Fuji TV Gebäudes hochgefahren, haben einen Rundgang durch die Fernsehstudios gemacht, eine kleine Unterhaltung mit Ronald McDonald geführt, einen Abstecher nach Klein-Amerika gemacht (so hatte es dank der dortigen Mini-Freiheitsstatue jedenfalls den Anschein), abends einem kleinen Liveauftritt von Asian Engineer gelauscht und sind dann schlussendlich noch auf die Comiket, eine riesige Comic-Börse, die an diesem Tag gerade stattfand, mit zig verkleideten Comichelden oder beharrten Männern in Mädchenschuluniformen. Die Leute und Kostüme waren wirklich sehr interessant, teilweise aber auch fragwürdig; aber wer bin ich dann, um die tiefen Abgründe der japansichen Fetische ergründen zu wollen. Manche Dinge sollten vielleicht besser unentdeckt bleiben^.~







Silvester
Wie jeder anständige Tokyoter, der über Neujahr nicht gerade zu seiner Familie aufs Land raus gefahren ist, hatten auch wir vor, um Mitternacht am Meiji-Schrein uns in die Massen zu stürtzen und für ein gutes neues Jahr zu beten. Nach einem vorigen Abstecher nach Tachikawa, wo ich mich endlich mit einer warmen Daunenjacke eingedeckt hatte, gings also auf richtung Harajuku. Auf dem weg dorthin fühlten wir uns schon fast ein bisschen verloren, waren da doch so wenig Leute unterwegs in den Zügen und die Umgebung der Bahnhöfe nicht grell leuchtend und blitzend wie sonst, sondern dunkel und verlassen. In Harajuku aber angekommen, änderte sich das doch ziemlich; überall standen Polizei und Rettungskräfte umher, die schon die Vorbereitungen für den drohenden Ansturm tausender Pilgerer zum Schrein trafen und durch Megaphone alle daruf Aufmerksam machten, sich an die Regeln zu halten und Rücksicht zu nehmen - Tokyo im Kriesenstadium. Die aufbrauhende Bedrohung lag förmlich in der Luft. Glücklicherweise haben wir uns aber schon vor 23.00 Uhr richtung Schrein aufgemacht, weshalb die ... Warteschlange, ist das falsche Wort, es war eher ein Wartefluss, noch nicht so gross war und wir einigermassen weit vorne anfangen konnten, ja was wohl?, anzustehen. Zusammen mit tausend anderen Japanern, die sich anscheinend gar nicht daran störten, dass sie Schlag 00.00 Uhr immernoch an der selben Stelle mit uns warteten und nicht mal Anstossen konnten, da Essen und Trinken innerhalb des Shchreinsgelände verboten war. Per Riesenbildschrim konnten wir dann verfolgen, wie ein Mönch punkt Mitternacht anfing, 108 mal auf die grosse Schreinstrommel zu schlagen; ein Brauch, um die 108 Begierden der Menschen zu vertreiben. In Gruppen von vielleicht 200 Leuten leiteten nun die Staffs uns mit einigen Zwischenstopps immer näher richtung Schrein. Um 00.30 Uhr dann etwa dort auch sicher zwischen all dem Menschengedränge angekommen, standen wir immernoch etwa 10 Meter von eigentlichen Altar entfernt hinter den Leuten, vorauf wir unsere Münzen einfach schwungvoll über die Köpfe derer vor uns warfen und halt ganz hinten zwei mal in die Hände klatschten, uns verbeugten und dann für das neue Jahr beteten (wobei wir uns vorher noch beraten haben, ob wir da jetzt auch Deutsch beten dürfen oder doch besser auf Japanisch, damit die Kami (Götter) uns auch sicher versehen). Ein Ema haben wir dann auch noch aufgehängt; das sind kleine Holztäfelchen, auf die du einen Wunsch oder eine Bitte schreibst und sie an einem Haag um einen heiligen Baum festmachst.




Nachdem ich mich dann mit einem Becher Amasake, vielleicht vergleichbar mit unserem Glühwein, einfach weiss und aus Reis gemacht, erstmal von dem ganzen Wahnsinn erhohlt hatte, gings dann auf ins Ausgangsviertel Shibuya, wo eigentlich die ganze verbleibende Nacht Karaoke auf dem Plan stand, meine treuen Gefährten aber zu schockiert von den Preisen waren und wir uns deswegen auf den Heimweg gemacht haben. Um vier Uhr wieder in der Basiszentrale angekommen, sahen wir uns zusammen noch einen Film an; mit schlafen war nämlich nix, wollten wir doch ganz japanisch-romantisch den Hatsuhi no De, den ersten Sonnenaufgang im Jahr, zelebrieren, der aber leider erst 06.47 Uhr stattfand. Der Müdigkeit zum Trotz haben wir's aber doch geschafft, rechtzeitig zum obersten Stock des Wohnheims zu hechten und das Spektakel auf uns wirken zu lassen.


Deswegen heute erst um 16.00 Uhr aufgestanden, ist mein Schlafrythmus zwar mal wieder vollkommen im A*sch, aber das neue Jahr kann beginnen!

Freitag, 21. Dezember 2007

Von Ferien, hüpfenden Russen und Handtaschen

Nach der letzten Hürde Prüfungen sind nun endlich die Ferien angeborchen, gleichzeitig aber auch eine neue Kältewelle, die mich in meinem undichten Papphäuschenzimmer doch ab und zu schlottern und die Heizungskosten in die Höhe schellen lässt. Deswegen habe ich auch vor, mir eine piekfeine, brandaktuelle RUSS-K Winterjacke zu kaufen, die unter den hiesigen Shibuyanern und Harajukern grade im Trend liegt und für die meine zwar wenig talentierte, dafür aber innig geliebte Idolband NEWS gerade Werbung macht. Warm halten tut mich aber auch der viele Winterspeck, den ich mir durch Guetzli und Schoggi aus der Heimat schon angefressen habe. Dank fleissigen Postgängen meiner Familie oder meines Göttis halte ich unter meinen Freunden im Wohnheim den ungeschlagenen Päckchenrekord! 6 Päckchen und eine Karte habe ich in den zweieinhalb Monaten, in denen ich schon hier bin, empfangen dürfen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bedanken. Gerade heute ist wieder ein Fresspacket angekommen, aber diese Guetzli werden aufgespart bis Sonntag, denn da findet unser letztes "Advent Kaffee und Kuchen Kränzchen" statt, das sich die Germanenfraktion eingerichtet hat.


So, nun aber fix zu den heutigen Themen:

Weihnachtsaufführung
Ich wurde von einer japanischen Tutorin dazu aufgefordert (man sagt auch "gedrängt" dazu), bei einem kleinen Weihnachtstheater aufzutreten, das sie zusammen mit einem Konzert organisiert hatte. Es ging dabei darum, einige verschiedene Weihnachtsbräuche Europas aufzuzeigen. Unter der Bedingung, dass ich weder sprechen, noch tranzen, noch seltsame Kerzenhüte auf meinem Kopf tragen muss, willigte ich ein und wurde so zu einer Temporär-Schwedin, die zusammen mit dem Temporär-Schweden Fips einen Christbaum schmückten, während dann doch noch ein echter Schwede eine kleine Rede hielt (Feedback der Tutorin: Esther... Weihnachtsbäume stehen dir. Du siehst daneben so europäisch aus!). Die Italiener schrieben mit manchmal unterdrücktem, manchmal auch nicht unterdrücktem Gekicher Wunschlisten an den Papa Noel, die Engländer versuchten sich an einer A Capella Version von Merry Christmas (die Performance hätte aber sicher von ner Gruppe balinesischer Kleinkinder in Kartoffelsäcken übertrumpft werden können (nichts gegen Balinesen)) und die Russinnen hüpften mit epileptischen Zuckungen und Sprügen um einen Weihnachtsbaum (wenigstens ihnen schien es Spass zu machen). Naja, die Tutorin betitelte das Spektakel als gelungen...

Männerhandtaschen
Der urbane Japaner von heute schmiert in seine orange gefärbten Haare nicht nur ein Döschen Gel pro Tag oder trägt Schlappen in Form von Cowboy Stiefeln, nein, sein wichtigstes Accessoire ist eine Handtasche in seinen Händen oder am angewickelten Unterarm baumelnd, vorzugsweise von Gucci oder Louis Vuitton. Diese Männerhandtaschen machen was Farbe und Grösse anbelangt denen der Frauen ernsthafte Konkurrenz und man kann erschreckend viele von ihnen nur schon auf dem Unikampus erspähen. Über den Inhalt werden zahlreiche Vermutungen angestellt, bewiesen ist aber noch nicht viel. Aus meinen bisherigen Forschungen kann ich nur sagen, dass die Tasche wahrscheinlich weniger zum Versorgen der Geldbörse benutzt wird, denn diese ist ja auch von Luis Vuitton und muss deswegen an einem Ort aufbewahrt werden, wo sie gesehen werden kann (vorzugsweise möglichst lange Portemonnais in den hinteren Hosentaschen, worüber sich jedes der Langfingerkinder am römischen Bahnhofe freuen würde). Naja, die Männer-Mode der japanischen Jugendlichen, wenn nicht gerade im einheitlichen Businessanzug, ist sowieso ein Thema für sich und für Europäer vielleicht zuerst einmal ein wenig befremdlich, oder besser gesagt metro- bis homosexuell.


男香り - der Männerduft
Seit einiger Zeit schon immer in den Regalen der Konbini beäugt, gestern dann endlich mal ausprobiert: Otoko Kaori, der Kaugummi, der Männerschweiss nach Rosen duften lässt. Versuchskanninchen war Fips (naja, als einziger Mann im Dreierbunde keine grosse Auswahl), der sich zwar mit etwas Unbehagen, aber doch tapfer dem Experiment ganz im Sinne der Forschung für japanische Studien gestellt hat und den Kaugummi in den Mund steckte. Ergebnis: Im Umkreis von 30 cm um Fips herum schwebte tatsächlich eine ...intensiv... nach Rosen ...duftende... Wolke. Ob der Duft aber vom Körper aus kam, oder doch nur vom Kaugummi her, konnte bei dem Experiment nicht festgestellt werden.


So, mein Bettchen ruft, aber heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage!

Mittwoch, 5. Dezember 2007

Nippon Weisheiten

Hallihallo, meine geschätzten Leserinnen und Leser, hier ist wiedermal ihre Erzählerin live aus Japan, die, nachdem sie den ersten Prüfungsansturm zwar mehr schlecht als recht, aber trotzdem überstanden hat, endlich mal wieder etwas Zeit findet mit ihren aufgedunsenen Berichten aus ihrem im Moment ziemlich spektakulärlosen Leben in der Ferne zu berichten (4 Zeilen, 1 Satz, dass soll mir mal einer nachmachen!). Hier auch gleich noch ein grosses Dankeschön für das Stückchen Heimat, das ich gestern im Austauschstudenten-Zentrum abholen durfte!
Während ich mich also ernsthaft zusammenreissen muss, dass ich nicht gleich alle Guetzli auf einmal verschlinge, sondern schön rationiere, damit ich mich ein Weilchen daran erfreuen kann und auch meine Freunde noch daran Teil haben können, möchte ich nun gerne über einige Beobachtungen und Erkenntnisse von kleinen Kuriositäten des nipponischen Völkchens, auf deren Insel ich mich befinde (im Volksmund auch als "Japaner" bezeichnet), berichten.

Was, ihr geht schon seit 2 Jahren miteinander aus und ich hab nichts bemerkt??
Japanische Männlein und Weiblein verhalten sich anders als schweizerische Männlein und Weiblein. Ob dieser Unterschied ihren Ursprung bei den hiesigen Bienen findet, kann ich zwar nicht zurückverfolgen, ABER er ist definitiv vorhanden, denn anders als bei uns, scheint es hier eine sehr private, wenn nicht peinliche Angelegenheit zu sein eine Liebesbeziehung zu führen. Auf dem Kampus sieht man nie, wie sich zwei Menschen küssen, umarmen oder Hände halten, ja, Päärchen scheinen gar nicht existent (Ich habe aber aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass es sie doch gibt!). Mit wem du zusammen bist, ist Privatsache, das geht andere nichts an, besonders nicht die, die dich kennen. So kann es also vorkommen, dass es in deinem Freundeskreis ein Päärchen gibt, von dem du nicht den blassesten Schimmer hast (so einer hiesigen, japanischen (!) Freundin von mir geschehen, ich verweise auf den Titel dieses Abschnittes). Von deinen Klassenkameraden gesehen zu werden, wie du mit deinem Freund/deiner Freundin vertraulich bist (z.B. umarmen und Begrüssungkuss), ist peinlich und zu unterlassen. Händchen halten geht also an Orten, wo dich keiner kennt, etwa dem Ausgangsviertel Shibuya oder Shinjuku, aber ganz sicher nicht an der Uni, da könnte ja das Gerede losgehen. (bei Ausländern ist der Fall jedoch wieder anders, wir dürfen anscheinend küssen wann, wo und soviel wir wollen, da wir ja zuhause auch öffentlich unsere Affektion gegenüber unserem Partner ziegen und es sowieso nicht besser wissen).

How are you - Ausländer sprechen alle Englisch
Erspäht der durchschnittliche Japaner ein westliches Gesicht in der Menge, ist der Fall schon klar: Du bist Amerikaner und sprichst natürlich Englisch. Wie, es gibt auch Westler, die nicht Englisch sprechen? Du bist doch Ausländer, also hast du gefälligst Englisch zu sprechen!
So jedenfall erscheint es mir, wenn ich wieder mal die Zielscheibe eines alten, hartnäckigen Inselbewohners geworden bin und als lebende Englisch-Konversations-Übung herhalten muss, obwohl ich dem Herrn doch schon einige Male in relativ schönem Japanisch mitgeteilt habe, dass ich ja eigentlich kein Englisch verstehe (was ja nicht wirklich der Wahrheit entspricht, was uns aber nicht zu kümmern braucht). Selbst auf der Uni wird nach einem freien Stuhl mit "May I?" gefragt, der Billetkontrolleur sieht wohl das an mich gerichtete "Thank you" als willkommene Abwechslung und die Schülerinnen rufen stolz ein "Hello!" zu uns herüber. Trotz Helvetica-Pullover, Militär-Gürtel und Schweizer-Rucksack scheint meine Herkunft dem Grossteil der Leute nicht einleuchtend zu sein; ich bin einfach eine Ausländerin und Ausländer sprechen prinzipiell mal alle Englisch.

Extreme-Recycling
Es gibt zwar wenig Mülleimer in Japan, aber wenn du tatsächlich mal einen gefunden hast, stehst du nicht vor einem simplen Abfalleimer, nein, sondern vor einer halben, vielleicht auch ganzen, Entsorgungsstelle. Der Standart ist meist ein Eimer für brennbaren Müll, einer für Nicht-Brennbaren, einen für Dosen, dann für PET und für "anderes". In der Mensa haben wir zusätzlich noch einen für Essensresten und einen für Flaschen. Was kommt aber nun in welchen Eimer? Über dies nachsinnend habe ich schon so manche Augenblicke vor den verschiedenen Mülleimern gestanden, bis ich mich dann endlich entschieden habe, was etwa wo hin kommen könnte. Das Tetrapack ist Brennbar, dessen Strohhalm kommt aber in Nicht-Brennbar. Das Preisschild am Shirt ist Brennbar, das durchsichte Halterchen aber Nicht-Brennbar. Jedoch ist die Art zu trennen überall verschieden und jede Stadt hat ihre eigenen Regeln. Im Heimatort eines Freundes zum Beispiel gehört die PET-Flasche zwar ins PET, davor musst du aber das Papier rund um die Flasche abziehen (da brennbarer Müll), den Deckel wegnehmen (Plastik) und zum Schluss auch noch das runde Plastikding um den Flaschenhals, dem wir normalsterblichen Umweltsünder ("nicht lieb zur Erde") nur in Momenten der Langeweile Beachtung schenken, abknobeln, bevor du dich der Flasche entgültig entledigen kannst.

So, meine Zeit wird langsam knapp und die Guetzli sind auch schon alle. Mehr von den lieben Japanern das nächste Mal!

Donnerstag, 22. November 2007

Kamakura Trip


Anfangs dieser Woche machten meine Mitstreiter Maru und Fips und ich uns auf zu unserem ersten Kurztripp, der, wie hätt's auch anders sein können, sein Ziel in der alten Shogun-Hauptstadt Kamakura fand. Seit ich letztes Jahr ein paar Tage dort verbracht habe, bin ich in dieses kulturreiche Städtchen, das gleich am Meer liegt, verliebt und konnte es kaum erwarten, wieder etwas Strandluft zu schnuppern; wobei es ja leider (eigentlich) schon viel zu kalt ist um baden zu gehen, was aber weder die einheimischen Surfer vom Surfen ("the salty dogs"), noch uns von einem Fussbad abgehalten hat.

Obwohl wir uns morgens in der Früh von der Uni aus auf den Weg machten, haben wir nicht das ganze Tagesprogramm, das wir uns zuvor aufgestellt hatten, geschafft, gibt's doch an jeder Ecke einen Tempel, einen Schrein, einen Souvenirshop, einen Konbini, etwas zu essen oder auch einfach einen hübschen Japaner, der angeschaut werden muss. Aber genau deswegen haben wir uns auch drei Plätze in der Kamakura Hase Youth Hostel reserviert, in deren Richtung wir uns nach einem langen Fussmarsch, zig Tempelbesuchen und noch mehr Fotos (Ich räche prinzipiell jeden Japaner, der vor dem Matterhorn steht und wild um sich knipst) dann auch wendeten. Japan ist ja bekanntlich das Land der aufgehenden Sonne, und genauso früh, wie die Sonne sich morgens über den Horizont hebt, geht sie leider auch wieder unter; wir hatten jedoch das Glück, genau rechtzeitig zu einem wunderschönen Sonnenuntergang den Strand zu erreichen (mittlerweile muss ich wohl schon einige Japaner am Matterhorn gerächt haben).

Nach kurzen, aber emotionsvollen 10 Minuten war das Spektakel dann aber zu Ende und wir suchten unsere Bleibe auf. In der Youth Hostel empfing uns ein sehr aufgestellter, sympatischer Herr in den 50ern (Papifaktor 8.5 auf einer Skala von 1-10) zusammen mit seiner eher verschlafenen Ehefrau (Mamifaktor 2.3 auf einer Skala von 1-10). Die Einrichtung erinnerte sehr an ein Schweizer Berghaus, war doch alles aus stabliem Holz und roch angenehm heimelig. Ausserdem waren wir, bis auf einen Australier, die einzigen Gäste und Maru und ich waren in dem Zimmer mit Namen "Heidi's Zimmer" einquartiert (mam erinnere sich, WIR SIND HEIDI).

Später verliessen wir unser Quartier wieder um in einem Restaurant etwas zu essen und das Kamakura-Nachtleben noch etwas auszukosten; wobei es aber leider nichts auszukosten gab, stellte sich das Städtchen nach Sonnenuntergang doch als ziemlich verschlafen heraus. Wir besorgten uns daher aus einem Konbini noch etwas Süsses und setzten und eine Weile in einen kleinen Park vor dem Bahnhof. Dort wurden wir auch wieder Zeuge einer kleinen, aber wunderlichen japanischen Gepflogenheit, die da lautet, dass man nicht im Gehen rauchen soll. Aus diesem Grund versammelte sich nach jedem angekommenen Zug ein kleines Grüppchen schlotender Japaner um die Aschenbecher in der Raucherzone im Park, standen wir einzelne Rebstöcke zwei Minuten dort und verschwanden dann wieder.
Auf dem Nachhauseweg schlenderten wir dann wieder der Küste entlang und natürlich kam, was kommen musste, nämlich das nächtliche Plantschen im Meer. Auf Grund der Kälte bliebs aber nur bei den Füssen und, dank dem Wellengang, auch nassen Hosen, aber das soll ja angeblich auch gesund sein, oder nicht?

In der Youth Hostel wieder angekommen war dann das japanische Bad, bei dem man sich zuerst abduscht und dann in eine heisse Badewanne einsteigt, auch genau das, was unsere beanspruchten Glieder gebraucht haben und wir konnten den Abend in aller Ruhe ausklingen lassen.

Am nächsten morgen dann wieder um 07.30 Uhr Tagwacht, herzhaftes japanisches Frühstück (Tofu, Misosuppe, Reis, Kakifrucht & süssen Kuchen), Abschied vom netten Ehepaar (nicht ohne das Versprechen, wieder zu kommen) und auf zu den Tempeln, die wir am Tag zuvor nicht geschafft hatten.

Gegen Mittag, als in der Gruppe langsam ein Überdruss an Buddhas, Kannon-Statuen und japanischer Gartenkunst zu vernehmen war, begaben wir uns auf den Nachhauseweg und betraten gut zwei Stunden später wieder vertrautes Unigelände; naja, so vertraut auch wieder nicht, denn hier ist diese Woche das Unifest voll im Gange, wo alle 26 Sprachen Spezialitäten aus ihren Ländern anbieten, Konzerte, Theater und andere Aufführungen zum Besten gegeben werden und ab und an auch ein männlicher Student in einer Mädchen-Schuluniform zu erspähen ist (ja, es gibt ein Drag Queen Theater). Das Schulfest ist ziemlich bekannt, Besucher kommen von überall her; langweilig wirds daher sicher nicht werden dieses Wochenende.

Naja, bis 6 Uhr, denn dann geht die Sonne unter und das Unigelände gleicht dem nächtlichen Kamakura, verlassen also. Solange, bis am nächsten Tag die Sonne wieder aufgeht und die Baseball-Jungs ihr Training beginnen.

Donnerstag, 15. November 2007

Wenns um Käse geht, versteht man keinen Spass

Jaja, wie schnell sind doch zwei Wochen vorbei zwischen Hausaufgaben, Essen kochen, einkaufen, Käsefesten, Karaoke und Weihnachtsstimmung. Aber hier bin ich mal wieder, zwar etwas heiser vom heutigen 2-Stunden-Karaoke-Marathon, aber das tut bei einem Blog-Eintrag ja zum Glück nichts zur Sache.
Zuerst möchte ich gleich meinen neuen Mitbewohner vorstellen: sein Name ist Baba und seit gut zwei Wochen hält er mich nachts kuschelig warm. Genau, die Rede ist von meinem neuen Idakimaruka (Umarmkissen), das ich in der Babyabteilung des Nitori, der japanischen Ikea, gefunden habe und natürlich sofort mit nach Hause nehmen musste. An den leuchtenden blauen Weihnachtssternen fürs Fenster konnte ich natürlich auch nicht einfach vorbei gehen, bin ich mich doch die glänze Weihnachtspracht meines Daheims in Zürich gewohnt. Somit bin ich also das Zimmer mit der blauen Prolo-Beleuchtung geworden.
Weihnachten ist unübersehbar am Kommen, haben doch die Geschäfte am 1.11 die Halloweengoods gleich mit Weihnachtskram ersetzt; wobei es ja eigentlich fraglich ist, wieso die Japaner, meistens Buddhisten und Shintoisten, über Weihnachten einen solchen Tumult veranstalten und mit Freuden in Samichlaus- oder Rentier-Kostüme schlüpfen. Vielleicht einfach ein weiteres Ergebnis der schon fast krankhaften Vergnügungssucht, die die meisten Japaner dazubringt, jede Gelegenheit zu feiern auch zu ergreifen?
Anyway. Dieses Wochenende war ich mit Rui und Takuya in Roppongi. Unser Ziel: Die Cheese Festa! Geködert von den angeblichen Probierhäppchen und der Hoffnung, eventuell an etwas Schweizer Importkäse zu kommen, war dieser Ausflug schon länger in Planung. Dort angekommen wurden wir aber mit einem ziemlich unerwarteten Problem konfrontiert: ein Raum rammelvoll mit kleinen, aggressiven, schubsenden, Ellbogen einsetzenden Japaner und Japanerinnen höheren Alters, die alle grierig Richtung die ohnehin schon knapp vorhandenen Käsehäppchen drängelten. Tapfer wagten wir uns in die bewegende Masse, doch nach nicht allzu langer Zeit hätten wir alle drei gut den Ersatznerv brauchen können, den meine Mutter weislich vorn an ihrem Pult liegen hat. Wer hat gesagt Japaner seien immer zuvorkommend? Definitiv gelogen! Was ich da auf diesem Schlachtfeld der Käsehäppchen angetroffen habe, war angsteinflössender als manch anderes, das ich schon gesehen hab...

Wieder draussen wurde der Drang nach etwas Süssem über diesen Schock unüberhörbar, worauf wir uns auf machten zu einer ziemlich speziellen Eisdiele. Nicht nur kannst du dir dein Eis aus x-verschiedenen Sorten und Beilagen selbst zusammen stellen, nein, du kriegst auch noch ein Ständchen gesungen von den Staffs, während sie dir dein Eis auf einer kalten Platte zurechtmischen. Auch wenn die Staffs in den ersten paar Sekunden, als sie ohne jegliche Warnung die Geschäfts-Hymne anzustimmen begannen, einen ziemlich kritischen Blick meinerseits ernteten (laut Takuya), fühlte ich mich beim Verlassen der Diele wirklich fröhlicher; genau so, wie es ihre Werbung verspricht!
Jaja, Roppongi ist ein interessanter Ort, der neben dem Tokyo Tower, der üppigen Weihnachtsbeleuchtung und dem HardRock Cafe auch noch viele Ausgangsmöglichkeiten bietet, die zwar meist etwas teurer sind (für japanische Verhältnisse, versteht sich), dafür aber immer hip und modern. Wird weiter verfolgt.

Ach ja, was ich nicht vergessen darf zu erwähnen: heute hab ich im T-Shirt auf der Terasse unserer Cafeteria etwas im Sonnenschein geräkelt. Was hiess es noch, wie kalt ist es in der Schweiz?
Bei solch schönem Wetter kann ich übrigends auch den Fujisan, Japans grösster Berg und Stolz der ganzen Nation, sehen. Für einen Immobiliemmarkler wäre das ein Grund eine Wohnung gleich nochmals teurer zu vermieten, wird doch jedem Japaner gleich ganz natürlich warm ums Herz, wenn er die weisse Spitze des Fujisans erblicken kann. Von dem her hab ich also beste Aussichten!

Mittwoch, 31. Oktober 2007

Schwiizer sii


Schon bald einmonatiges Jubiläum. Ich hoffe doch stark, dass ihr mich alle schon sehr vermisst?!
Jedenfalls gebe ich alles, um die Schweiz in diesem weit entfernten Land gerecht zu vertreten. Naja, so weit scheint die Schweiz eigentlich gar nicht wegzusein, gibt's im Supermarkt doch das "Heidi-Fondue" aus dem Plastikpack und in den Bücherläden die Alpen-Kalender fürs kommende Jahr. Auch auf dem Kampus hab ich dank meiner schweizer Herkunft schon einige Bekanntschaften schliessen können; da wäre zum Beispiel Saori, die ein Jahr in Romanshorn verbracht hat. Leider hat sie danach aber auch noch ein Jahr in Östereich gelebt, wodurch sie ihren schweizer Akzent ziemlich verloren hat und jetzt nur noch rumwienert. Und ist da noch Rui, diesen Sommer erst aus einem Austausch im Gymnasium an der Enge zurückgekommen. Ich kann mir das Grinsen einfach nicht verkneifen, wenn sie mich mit ihren grossen Augen ansieht und ganz aus der Kehle heraus "wükkli??" hervorbringt.
Bei ihr und ihrem Freund war ich letzte Woche zum gemeinsamen Kochen eingeladen. Es gab Nikujaga (Nikutschaga), eigentlich das, was die meisten der geschätzten Stammgäste am Mittagstisch als Chinapfanne kennen. (Ab jetzt also bitte Japanpfanne) Ruis Freund Takuya ist, wie sie selbst auch, Germanistikstudent, versteht aber natürlich kein Wort, wenn wir in unserem "Geheimcode" Schwiizerdütsch sprechen; was sich doch ab und zu als nützlich erwiesen hat.

Überhaupt hat das Schweizersein viele Vorteile. Nicht nur sind wir sowieso die Schlausten, wie's ein Schaffner, den wir mal nach dem Weg gefragt haben, meinte, sondern wir sind auch Heidi. Die Deutschen mögen von mir aus Papst sein, aber WIR SIND HEIDI. Und mit diesem Herzig-Faktor ist die grösste Schlacht schon mal gewonnen. Ausserdem haben wir dann ja auch noch Käse, Taschenmesser und das Matterhorn. Und 4 Landessprachen. Jaja, die Japaner mögen die Schweiz, was sie doch durchaus sympathisch macht, oder?
Als Japanologin, also Japanwissenschaftlerin, interessiert mich auch, was die japanischen Germanisten denn so treiben. Deswegen besuche ich jeden Mittwoch Morgen die Deutsch-Frischlinge im Grammatikunterricht. Der Lehrer hat daran auch seine helle Freude, muss er doch nicht selbst immer die Bespielsätze vorlesen, wenn er dafür doch nen Native in der Klasse sitzen hat. So werde ich also meistens aufgerufen, den eben übersetzten Text vorn am Lehrerpult laaaaaangsam vorzulesen und die Studenten es alle paar Worte nachplappern lassen - Zwei Mal. Ausserdem plant ein anderer Deutschlehrer eine ÜbungsCD für die Studenten, wofür er gerade Stimmmodels sucht. Ich wurde da ebenfalls angefragt, und bin dem auch nicht abgeneigt, aber mehr erfahre ich wohl erst später. Ihr seht also, ich versuche meinen Aufenthalt hier aktiv zu gestalten.

Der Lehrplan ist jedoch nicht das einzige Aktive zur Zeit. Gestern abend war ich joggen. Jawohl, das Joggen, bei dem du dich in nen Trainer zwängst und doch tatsächlich auf einer Bahn Runden laufen gehst. Letzte Woche war ich mit Fips, meinem östereichischen Mitstreiter, im passend benannten "Alpen" (man erinnere sich, WIR SIND HEIDI) Sportsachen einkaufen. Dabei ist uns aber beiden ein weiterer Faux-Pas geschehen, denn in unserem nichtswissenden Leichtsinn haben wir die Umkleidekabine samt Schuhen betreten. Jedenfalls hab ich bei all den OkonomiyakiParties (jap. Pizzen) und dem süssen Zeugs, das alles ausprobiert werden muss, wirklich langsam aber sicher den Drang, etwas für meine Fitness zu tun. Nur ein Glück, dass ich die Laufbahn gleich vor dem Haus liegen habe, sonst würde ich wahrscheinlich auch keinen Finger rühren.

Also, ich muss ab in den Unterricht.
Hebed eu Sorg!

Dienstag, 23. Oktober 2007

Von Studentenleiden und Fahrrädern


So meine Lieben, da ist sie mal wieder, die abtrünnige Bäckerstochter, die sich einfach nach Japan abgesetzt hat.
Die erste Vollzeitschulwoche ist geschafft und ich hatte schon beinahe efürchtet, dass mich die Welle Hausaufgaben, der ich mich gegenübersah, mich direkt von der Insel wieder richtung Heimat schwemmen würde, doch mittlerweile hab ich mir Flügeli in Form von Vokabelkärtchen angelegt, die mich halbwegs über Wasser halten. Am meisten Wasser schlucke ich aber immer noch im Schriftzeichenkurs. Eigentlich wollte ich ja ins 2. höchste Level, aber dort schrieb ich nen Test und als mir dann mitgeteilt wurde, dass ich auch in den höchsten Kurs gehen könne, konnte ich meinen Ehrgeiz und Stolz, so eingeschätzt zu werden, nicht zügeln und wechselte in den oberen Kurs. Nach den ersten 5 Minuten Klasse wurde mir aber klar, dass der hübsche junge Lehrer wohl der einzige Lichtblick dieses Kurses bleiben wird für die kommenden paar Monate.















Wie dem auch sei. Ich habe vernommen, dass es im Schwiizer Ländli schon geschneit haben soll. Tja, was für ein Pech, ich hab nämlich heute mittag zusammen mit ein paar Freunden draussen in angenehmen 23 Grad zu Mittag gegessen. Richtig gehört, ich kann jetzt Nahrung zu mir nehmen, da das mit den Stäbchen und der Nudelsuppe langsam, aber sicher ohne Klekern zu funktionieren beginnt. Anklimatisiert haben wir uns alle eigentlich schon ganz gut, rennen wir doch genau wie die Japaner mit vollgestopften Taschen und Büchern im Arm von einer Vorlesung zur anderen und stehen mittags brav hinter den 60 anderen Schülern, die schon mehr Übung haben und daher schon vor uns in der Mensa waren, beim Curryreis an. Nach der letzten Vorlesung dann ab ins Zimmer oder die Kafeteria, wo allgemeine Hausaufgabenverzweiflung immer öfter das Kopfkratz-Sydrom auslöst. Somit bin ich also wieder in demselben Studentenleben wie zu meiner Zeit bevor Japan, ausser dass mein bester Freund ein Haushaltsgerät namens Swiffer geworden ist. Ja genau, das Nesthäckchen putzt Wohnung, macht Wäsche und kocht sogar zusammen mit einer Freundin essbares, und noch dazu leckers, Essen!















Dennoch gibt es etwas, dass unbedingt noch angeschafft werden muss: ein Fahrrad. Nein, das ist nicht China, aber auch in Japan hat sich ein Fahrrad als überaus nützliches Transportmittel entpuppt. Nicht nur kommst du schneller von A nach B, die Fahrradfahrer besitzen hierzulande auch noch das exklusive Recht des kompromisslosen Vortritts - auf dem Gehsteig. Ein japanischer Freund hat mir dieses Phänomen folgendermassen erklärt: rechtlich gesehen müssen die Fahrräder auf der Strasse fahren, aber die Strasse ist ja wegen den vielen Autos viel zu gefährlich, also bleibt den armen Kerlchen nichts anderes übrig als aufs sonst schon schmale Trottoir auszuweichen. Wenn du dich also in einem Dreiergrüppchen zu Fuss in Tokyos Vorstadt bewegst, ist es überaus ratsam, hintereinander und nicht nebeneinander zu gehen; es kommt sowieso jede Minute ein penetrantes Klingeln von hinten oder vorn. Ausserdem scheinen sie sich noch nicht über eine Höchstgeschwindigkeit Gedanken gemacht zu haben, die einen kommen im Schritttempo und die anderen mit 150 Sachen daher. Am Besten ist es dann noch, wenn der Fahrer eines dieser klapprigen Metalesel gerade auf sein Handy kuckt und ne SMS schreibt und in der anderen Hand noch den aufgespannten Regenschrim balanciert. Was lernen wir daraus?
Kommst du in Japan zu Fuss daher, sehen wir dich bald nimmermehr.
Denn ein Fahrrad tauchte plötzlich auf und machte dir den Gar gleich aus.
Daher: Wenn du sie nicht bezwingen kannst, verbünde dich mit ihnen. Also ja, ich brauch ein Fahrrad.
















Glücklicherweise kann man das im Don Quijote erwerben, dem 3 Stöckigen Billig-Paradies, in dem man gleichzeitig Nahrung, Kosmetik, Elektronik, Fashion und Auto-Tuningteile findet. Überhaupt lädt alles hier zum Shopping ein. Alle Läden haben abends sicher bis 21.00 Uhr geöffnet und es würde ganz sicher nie jemandem überhaupt in den Sinn kommen, dass sich das übers Wochenende ändern könnte. Sie ticken halt schon etwas anders, die lieben Japner. Den Fisch kannst du mit ner Spaghettizange aus nem Kistchen im Supermarkt greifen, Krawattenträger und Highheels-Mädchen tanzen zusammen an einer öffentlichen Fitnessaktion, während dem Gehen essen, trinken oder rauchen geht auch nicht, die Keller stehen ausserhalb der Gebäude als Mietbunker, der Campus gleicht mehr einem Catwalk, das Boys Cheerleading Team ist auch nicht von schlechten Eltern, auf den RedBulls steht erklärt, wie man die Dose zu öffnen hat, den Müll trennst du in brennbar - nicht brennbar - Pet - Dose - Flasche und Sonstiges, Getränkeautomaten und Toiletten geben Musik von sich, plötzlich fliegen mal ein paar hundert Papiervögel durch den Himmel, zuhause musst du etwa 3 Paar Hausschuhe haben (für den Gang, für die Wohnung und für die Toilette) und mit dem Morgentraining hab ich mich auch schon abgefunden. Und wie meine Freundin Maru heute so schön gemeint hat: "Hör endlich auf, wie ein Europäer zu denken!"
Die Verjapanisierung sch(st)reitet fort.